"Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ... sind Vertreter
des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem
Gewissen unterworfen." Applaus, Applaus, nur unterbrochen von der Lachmaschine,
die bei billigen Comedy-Sendungen das Publikum ersetzt. Die Neuformulierung
des Artikel 38 des Grundgesetzes müsste heißen: "Die Abgeordneten
sind von den Deutschen gewählt. Doch deren Interessen sind völlig
uninteressant. Weisungen erhalten die Abgeordneten aus den USA und der EU. Ihr
Gewissen kommt täglich in die Reinigung."
Sie kriechen
dahin, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, in den Leseraum, in dem das
TTIP-Abkommen ausliegt. Gucken rein. Gehen raus und schweigen. Manche protestieren
sogar: "Ja, aber!" Doch schon seit Wochen informieren sie ihre Wähler
nicht darüber, was sie in den Papieren lesen. Weil sie sich an das verordnete
Schweigen halten. Bei den VOLKS-Parteien (Lachmaschine!!) CDU und SPD ist das
selbstverständlich. Sie finden das Unterwerfungsabkommen ja mehrheitlich
gut. Warum sollten sie über ihre eigene Schande reden? Aber da gab es doch
eine Opposition in Berlin. Eine richtig oppositionelle Opposition, oder?
Im
Bundestag hatten die GRÜNEN noch energisch verlangt: "Dass es
in TTIP zu keinem 'Demokratie-Outsourcing', also einem privilegierten Zugang
für Lobbyisten zu den Beratungen über Regulierungsvorhaben kommen
dürfe." Jetzt jammern sie: "Abgeordnete stehen im Leseraum permanent
unter Aufsicht, dürfen keine Abschriften machen und mit niemandem, außer
den anderen Zugangsberechtigten, darüber sprechen. Wie sollen wir so die
Bürgerinnen und Bürger besser über TTIP informieren?" Jetzt
haben sie den "privilegierten Zugang" und haben sich selbst outgesourct,
ihre schweigende Verantwortung in die schmutzigen Hände der EU-USA-Bürokratie
gegeben.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, schreibt über
ihren Besuch im Leseraum: "Ich hoffe, ich verrate kein Staatsgeheimnis,
wenn ich meiner Verwunderung Ausdruck verleihe, dass die Dokumente nur so von
Rechtschreibfehlern strotzen. So wurde in den Dokumenten das Wörtchen "and"
(und) häufig als "andd" geschrieben und der Artikel "the"
erschien als "teh". Ja das ist mal eine richtig oppositionelle Feststellung!
Und nach Lesen der Zutrittsbedingungen schreibt Frau Kipping: "Aus diesen
Merkblättern erfuhr ich zum einen, dass bereits die Nutzungsmodalitäten
für den Leseraum zwischen der Europäischen Kommission und den USA
ausgehandelt wurden." Das weiß sie erst jetzt? Und geht doch hin,
um sich und ihre Wähler einem jämmerlichen Demokratie-Theater zu unterwerfen.
Wenn
eine Opposition eine Opposition ist, dann hat sie im Fall des TTIP-Maulkorb-Raums
nur zwei Möglichkeiten: Sie geht nicht hin und ruft ihre Wähler zum
Protest auf. Das wäre redlich aber schwach. Sie könnte aber auch hingehen,
so viel Informationen wie möglich sammeln, um anschließend die Medien,
ihre Wähler und alle, die es angeht, zu informieren. Und dann zum Protest
aufrufen. Wer weder das eine noch das andere tut, der kann sich als Opposition
abmelden. Auch und gerade als Volks-Vertreter. Der hat zwar Diäten auf
dem Konto aber keinen Arsch in der Hose.
Die staatsfromme LINKE-GRÜNE
Opposition macht den Weg für die AfD frei, von der zumindest ihre Wähler
glauben sie wäre oppositionell. Aber natürlich haben die alten
CDU- und FDP-Kader an der Spitze der AfD für ein prima Investoren-Klima
gesorgt: "Die AfD lehnt Freihandelsabkommen wie TTIP ab, wenn diese intransparent
und ohne ausgewogene Interessenwahrung der beteiligten Parteien gestaltet sind
und unzulässig in nationales Recht eingreifen" schreibt die Partei
in ihrem aktuellen Programm-Entwurf. WENN-DANN. Da steht nicht: Der US-Beherrschungsvertrag
wird ohne WENN und ABER abgelehnt. Im WENN-DANN ist das Hintertürchen.
Auf diesem Weg kann die patentierte Grenzschutz-Anlage Beatrix von Storch ihr
Mandat in Brüssel vergolden. Weil der AfD-Wähler statt zu lesen lieber
glaubt.
Gerade erst haben die Niederländer das EU-Abkommen mit der
Ukraine abgelehnt. So wie sie und die Franzosen schon vor Jahren den EU-Verfassungsvertrag
abgelehnt hatten. Was macht in solchen Fällen die Eurokratie? Einfach weiter.
Der Verfassungsvertrag wird in Lissabon-Vertrag umbenannt. Und das EU-Ukraine-Abkommen
ist schon seit Anfang des Jahres in Kraft. "Vorläufig". Der
EU-Parlamentarismus ist eine leere Hülse. Derweil kann Frau Kipping
ihre Verwunderung verleihen. Wer die haben will ist unbekannt.