Erdogans Netzwerk gefährdet Europa

Efgani Dönmez am 28.4.2016 in den OÖNachrichten

Durch die Abschaffung der Visapflicht für Türken wird Konfliktpotenzial importiert. Erdogans Netzwerk gefährdet Europa
Präsident Recep Tayyip Erdogan nimmt gezielt Einfluss auf die über ganz Europa verteilten Auslandstürken

Die Ideologie der AKP, der Partei Recep Tayyip Erdogans, ist eine Mischung aus Religion, Wirtschafts-Turboliberalismus, Nationalismus und osmanischen Großreich-Vorstellungen, die über die vielfältigen Lobbyorganisationen in Europa und auch in Österreich verbreitet wird. Um auch die Auslandstürken zu tief religiösen und nationalistischen Türken mit Loyalität zur AKP zu erziehen, wurde 2010 das "Yurtdisi Türkler Baskanligi" (Präsidium für Auslandstürken) gegründet.

Dieses Präsidium koordiniert die Aktivitäten von mehr als zehn türkischen Ministerien, welche in Nordafrika, auf dem Balkan und in Europa - ebenso auch in Österreich - die Kultur-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik beeinflussen.

Die Mitarbeiter des Präsidiums sind einem Staatsminister unterstellt und bestimmen auch die Leitlinien für die Arbeit der türkischen Konsulate im Ausland mit. Die Behörde kümmert sich auch um die Beziehungen zu den zentralasiatischen Turkvölkern.

Unter "Auslandstürken" versteht die AKP nicht nur Inhaber des türkischen Passes, sondern auch türkisch- und kurdischstämmige Bürger mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Die Folge dieses Einflusses aus der Türkei auf die Auslandstürken verstärkt die Segregation und Abschottung von Teilen der aus der Türkei stammenden Mitbürger in Österreich.

Die Gruppenbildung basiert auf Merkmalen wie ethnische Herkunft, übersteigerter Nationalismus mit Bezügen zu osmanischen Großreichvorstellungen sowie religiöse Orientierung, welche sich am sunnitischen Islam nach Vorstellung der türkischen AKP und des saudischen Königshauses orientiert. Eine "Islamisierung" Europas und Österreichs ist zwar noch in weiter Ferne, aber mit dieser Politik, die betrieben wird, nähern wir uns in kleinen Schritten dem Ziel der "OIC" (Organisation of Islamic Countries) an. Warum in manchen Städten Österreichs selbst in dritter und vierter Generation die türkisch- und kurdischstämmigen Kindergartenkinder zu über 90 Prozent einen Sprachförderbedarf haben, liegt auf der Hand.

Zunehmende Gewaltspirale

Manche Parallelgesellschaften existieren schon seit Jahrzehnten in Form mehrkerniger sektoraler Segregation entlang ethnisch-religiöser Bruchlinien, entlang derer sich ganze Stadtteile mit entsprechender spezifischer Infrastruktur ausdifferenziert haben.
Dort muss man keinerlei Anstrengungen bezüglich sprachlicher Integration unternehmen, da die Bewältigung des Alltags innerhalb eigener Strukturen mit wenig Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft erfolgen kann.

Durch eine vermehrte Einwanderung aus der Türkei mit Blick auf Visa-Erleichterungen werden nicht nur soziale, sondern auch politische Konflikte aus der Herkunftsregion nach Europa mitgebracht, die sich aktuell in einer zunehmenden Gewaltspirale zwischen extrem nationalistischen und rechtsextremen Anhängern der Bozkurtlar (Graue Wölfe) mit Verbindungen zur türkischen MHP (Milliyetçi Hareket Partisi) - wobei nach Informationen aus der Türkei verstärkt deren dortige Mitglieder zu der noch rechtsextremeren BBP (Büyük Birlik Partisi) abwandern - und Anhängern der PKK zeigen, die sich weiter verstärken werden.

Dies wird zu einer Gefährdung der sicherheitspolitischen Lage auch in Österreich führen, da alle diese Gruppierungen vor der Ausübung von Straßengewalt auf europäischem Boden nicht zurückschrecken, die sich auch gegen Polizeibeamte richtet. Insgesamt gesehen müssen daher die Aktivitäten der AKP in Europa durch ihre Lobbynetzwerke genau beobachtet werden, während man sich von dem Gedanken der AKP-Türkei als verlässlicher außenpolitischer Partner verabschieden muss.

Die angekündigte Außenpolitik der Türkei, unter dem Motto "null Probleme mit den Nachbarn", ist grandios gescheitert. Die Politik der AKP isoliert sich innen- und auch außenpolitisch immer mehr. Die strategische Partnerschaft der AKP mit dem saudischen Königshaus wird der immer dünner werdenden Luft für die säkularen und aufgeklärten Türken endgültig den Garaus machen.

Es wird auch in nächster Zeit in der Türkei vermehrt zu Anschlägen auf Touristen als "Soft Targets" kommen. Dass die AKP die Türkei in einen Rückzugsraum für Islamisten der Hamas, der ägyptischen Muslimbruderschaft und der Terroristen des IS verwandelt hat, dafür wird sie einen sehr hohen Preis bezahlen.

Für Europa und Österreich bedeutet dies, dass in absehbarer Zeit noch mehr soziales und politisches Konfliktpotenzial geschaffen wird, welches durch die Abschaffung der Visa-Pflicht mittel- bis langfristig importiert wird. Unsere Politiker müssen erkennen, dass der Kampf nicht gegen die Religion geführt werden soll - vielmehr gehört den aus dem Ausland ferngesteuerten Gruppen der Kampf angesagt.

Dafür braucht es den politischen Willen, damit der Verfassungsschutz auf Grundlage des Gesetzes auch solche Gruppen ins Visier nehmen kann. Die Zeit ist mehr als reif dafür!

Dazu passend: das Titelbild des niederländischen Telegraafs vom 25.4.2016: