Erdogan terrorisiert die Türken...

... und die deutsche Justiz macht brav Männchen

Uli Gellermann am 9.5.2016 auf www.rationalgalerie.de

Hallo? Ist da jemand? Im Kanzleramt, im Außenministerium? Selbst der Regierungssprecher schweigt: Dumpf, bleich, geduckt. Auf die Verschärfung des türkischen Terror-Kurses gegen die eigene Bevölkerung kein deutsches Echo. Krampfhaft schaut das öffentliche Berlin in eine andere Richtung, nur nicht dahin blicken, wo der türkischen Präsident in die Gegend brüllt: "Wir gehen unseren Weg, ihr geht Euren". Wir bringen unsere Leute um, wir bringen sie ins Gefängnis, wir machen die ganze Türkei zum Erdoğan-Lager.

Während aus Berlin immer noch kein Ton zu hören ist, werden mit den türkischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül jene guten Leute hinter Gittern gebracht, denen die Weltöffentlichkeit den Beweis für Erdoğans Terror-Sympathie verdankt: Sie hatten in der Zeitung "Cumhuriyet" die Waffenlieferungen der Türkei an syrische Terroristen aufgedeckt. Fast 100 Journalisten sitzen in der Türkei zur Zeit in Gefängnissen. Nicht selten wegen der Artikel 6 und 7 des türkischen "Anti-Terror-Gesetzes", nach dem eine schlichte Berichterstattung über einen Terroranschlag bereits zum Tatbestand des Gesetzes erklärt werden kann. Und die Erdoğan-Clique macht vom juristischen Spielraum eifrig Gebrauch.

In braver Kumpanei mit Erdoğan hat in Deutschland eine Serie von Prozessen gegen Kurden begonnen. Und immer geht es um angeblichen Terrorismus: Seit dem 29. April steht in Celle der kurdische Politiker Mustafa Çelik vor Gericht, nach dem deutschen §129b StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) versteht sich. Der angeklagte Mann soll unter anderem Busse für Demonstrationen angemietet haben. In Hamburg will man Bedrettin Kayak nachweisen, dass er Kader der PKK sei, und die ist nun mal in Deutschland verboten. Warum auch immer. Der selbe Vorwurf soll bald in Düsseldorf gegen Ahmet Çelik, und, erneut in Celle, gegen Kenan Bastu verhandelt werden. Die mit Erdoğan solidarischen deutschen Strafverfolgungsbehörden verfolgen mutmaßliche Kurden-Funktionäre sogar im Ausland: Mitte April wurde auf Ersuchen der bundesdeutschen Behörden Zeki Eroğlu in Stockholm fest- und in Auslieferungshaft genommen. So paart sich türkische Diktatur und deutscher Justiz-Fleiß auf das Schönste.

Im März wütete der türkische Despot gegen das heitere Erdoğan-Lied des Satire-Magazins "extra 3", kurz darauf startete die juristische Verfolgung des bekannten Böhmermann-Gedichtes mit Hilfe der deutschen Kanzlerin, Ende April intervenierte die Türkei auf EU-Ebene gegen das Konzertprojekt "Aghet" der Dresdner Sinfoniker zum Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren, anfang Mai melden sich die türkischen Einmischungsbehörden in die inneren Angelegenheiten anderer Ländern erneut in der Schweiz: Eine Armenier-Gedenkstätte in Genf, schon Ende 2014 auf türkischen Wunsch verlegt, "sollte nirgendwo in Genf errichtet werden", erklärte die türkische Botschaft in Bern. Wer die Böhmermann-Affaire für ein ästhetisches Problem gehalten hat, darf sich jetzt eines Schlechteren belehren lassen.

Mitten im wütenden, Erdoğanschen Verfolgungswahn meldet sich der Vizeregierungssprecher Georg Streiter zu Wort: "Die EU und Deutschland werden auch künftig alle vereinbarten Verpflichtungen erfüllen und wir erwarten das auch von der türkischen Seite", und weiter: "Dieses EU-Türkei-Abkommen, das steht". Was da steht ist die ekelhafte Anpassung der deutschen Regierung an einen Despoten, was da steht ist ein schmutziger Flüchtlings-Deal, der mit jedem Tag dreckiger wird, was da steht ist der Ausverkauf rechtsstaatlicher Prinzipien. Erdoğan ruft SITZ! und die Europäische Union macht Männchen. Da können die deutsche Regierung und die Justiz doch einfach nicht nein sagen.