Bundeskanzler Faymann zurückgetreten

Werner Faymann hatte zwar in den letzten Tagen immer geäußert, er werde bleiben, aber nun hat er am 9.5.2016 vor der anberaumten Sitzung des SPÖ-Parteivorstandes seinen Rücktritt als Bundeskanzler bekanntgegeben.

Die Zeit im Bild 1 zeigte am 9.5. ein Bild vom 1. Mai:

Gegner und Anhänger halten Tafeln hoch, die Gegner sind aggressiver und viel lautstärker, sie lassen den Kanzler nicht reden. Sie sind ja schließlich von der Fraktion der willkommenskulturellen Weltfremden, die vehement von ihrer Partei und ihrem Parteivorsitzenden weiterhin offene Grenzen verlangen. Dass die SPÖ ständig Stimmen verlor, weil sie das machte, was der Großteil der Bevölkerung nicht will, werden diese moralischen Egozentriker nie begreifen.


Faymann gibt seinen Rücktritt bekannt und wird im Insert bereits als "ehemaliger Bundeskanzler" betitelt.

Machen wir einen Blick zurück in die Geschichte der SPÖ und der anderen Parteien seit den 1970er-Jahren:


diese Tabelle zeigt die Stimmenanteile der österreichischen Parteien von den Nationalrats- und EU-Wahlen 1970 bis 2014
, die SPÖ ist seit 1979, dem Höhepunkt der Kreisky-Ära, mit ein paar Wellenbewegungen nach unten abgestiegen, die ÖVP stieg mit ab, die FPÖ stieg auf, bis die FPÖ-Buberlpartie von Jörg Haider in Koalition mit dem großmannsüchtigen ÖVP-Kleinkanzler Schüssel die Republik auf fundamental dilettantische Art dem Neoliberalismus endgültig in den Rachen warf und dadurch vor allem die FPÖ bezwang, die Rechtspopulisten mussten unten wieder neu anfangen. Die SPÖ hatte 1979 mit 51 % das beste Wahlergebnis, 2009 mit 23,7 % bei EU-Wahlen das schlechteste, bei Nationalratswahlen war es mit 26,82 % das Jahr 2013.

Beim heurigen ersten Durchgang der Bundespräsidentenwahlen hat der Wiederaufstieg der FPÖ den Wahlerfolg auf eine bisher unerreichte Höhe gebracht, dazu eine Übersicht der Präsidentenwahlen seit 1971:

Hier sind nicht die aufgestellten Kandidaten, sondern die nominierenden Parteien angeführt, wenn zwei Wahldurchgänge erforderlich waren, wurde der erste Durchgang verwendet, bei der Wiederwahl eines amtierenden Kandidaten haben SPÖ und ÖVP nicht jedes Mal einen eigenen Kandidaten aufgestellt. Die FPÖ hatte 1986 mit dem Kandidaten Otto Scrinzi und 1,2 % den Tiefstand und 2016 mit Norbert Hofer und 35,05% den Höchststand, die SPÖ 1971 mit Jonas und 52.8 % den Höchststand (ungerechnet die Wahlen ohne ÖVP-Gegenkandidat) und 2016 mit Hundstorfer und 11,28% den Tiefststand.

Werner Faymann ist nicht unbedingt der Hauptschuldige am Niedergang der österreichischen Sozialdemokratie, dieser Niedergang widerspiegelt die Veränderung des Seins: Als Ende der 1980er-Jahre der internationale Klassenkampf durch den vermeintlichen sowjetischen Reformer Gorbatschow wegen dessen völliger gesellschaftspolitischer und ökonomischer Unfähigkeit durch freiwillige Kapitulation endete und das erste Land, das versucht hatte, sozialistisch zu sein, von einem Berufsalkoholiker namens Jelzin zugunsten einer neuen russischen Raubbourgeoisie quasi versoffen wurde, war die Sozialdemokratie in keiner Weise in der Lage, auf die neue Situation angemessen zu reagieren. Nein, man rüstete ebenfalls ab. Ebenfalls kampflos.

Die neue Wahrheit war die neoliberale Globalisierung, sozialdemokratische Politiker stürmten zuhauf, sich dort stramm einzugliedern. Blair modernisierte England, Vranitzky und Klima modernisierten Österreich, Schröder modernisierte die BRD, um nur einige der damaligen Täter im Kampf zur Wegreformierung der Sozialdemokratie anzuführen.

Und dort sind wir immer noch.
Eine Brigitte Ederer, eine SPÖ-Politikerin und ehemalige EU-Staatssekretärin, die danach hingebungsvoll einen deutschen Großkonzern neoliberal mitmanagte, wird jetzt als eine mögliche Faymann-Nachfolgerin erwähnt, die zwei Hauptkandidaten, ÖBB-Chef Christian Kern und Medienmanager Gerhard Zeiler sind ebenfalls keine Vertreter von Interessen der arbeitenden Klasse. Die längst bewusstseinlosen österreichischen Gewerkschaften werden kandidatenbezüglich gar nimmer durchforstet. Ein Parteimanager muss her!

Und die christliche ÖVP stellt sich sogleich wieder nach den bekannten biblischen Prinzipien gemäß Mt 25, 29 auf: "Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat", wie der ORF meldete, gibt sie dem neu zu erwartenden SPÖ-Kanzler folgende Regeln vor: In der Wirtschaftspolitik kann sich Mitterlehner die Entwicklung eines Standortpakts für Österreich ähnlich wie in Großbritannien vorstellen (also eine Art homemade TTIP), mittelfristige will er Reformpakete in den Bereichen Bildung, Pensionen und Gesundheit. Im Bereich Bildung dessen Qualität unter SPÖ-Verwaltung durch Heinisch-Hosek, der wohl zweitunfähigsten*) Bildungsministerin, von Jahr zu Jahr nach unten sinkt, kann man ja kaum noch was ruinieren, da kann sogar eine neoliberale Reform helfen. In bezug auf Pensionen und Gesundheit gilt natürlich der obige Bibelvers.
*) die unfähigste war die ÖVP-Ministerin Gehrer, die im Rundfunk vorrechnete, dass eine Zulage von 70 Euro im Monat zehnmal im Jahre 7.000 Euro brächte und 26:2=14 - die Tonmitschnitte sind archiviert! - in den Schulen werden solche Gehrer-ähnliche Leistungen bald erreicht werden!

Dass die SPÖ der ÖVP zum Beispiel einmal einen Mindestlohn für alle vorlegte, das wagt man nicht, weil das wäre wahrscheinlich schon eine gräuliche bolschewistische Forderung.

Gespannt kann man allerdings sein, was die Faymannstürzer von seinem Nachfolger zu erwarten haben. Die erwarten natürlich, dass die SPÖ weiterhin der Hauptlieferant für FPÖ-Stimmen bleibt
, also wieder einen weltweiten Willkommensruf an alle Mühseligen und Beladenen erschallen lässt und damit den Hofer-Sieg bei den Bundespräsidentenwahlen und einen Bundeskanzler Strache nach den nächsten Nationalratswahlen sicherstellt. Die SPÖ ist zwar in ihrer ursprünglichen Klientel ohnehin vom einstigen Schmied zum kleinen Schmiedl geschmolzen - 72 % der Arbeiter wählten beim ersten Durchgang der heurigen Bundespräsidentenwahl den FPÖ-Kandidaten - aber das ist anscheinend immer noch zuviel, wenn man sich weltmoralisch entsprechend anstrengt, kann die Partei schließlich gänzlich ruiniert werden! Bundeskanzler Strache wird dereinsten ein Dankschreiben schicken.

Aber wie schaut die Sache aus, wenn man sich der Realität stellt und die FPÖ mitbenutzt?

Die neuesten Meinungsumfragen sind von Anfang April und zeigen die FPÖ mit durchschnittlich 32 % als stärkste Partei, SPÖ und ÖVP krebsen bei 22 bis 23 % herum, die Grünen bei 14, die NEOS bei 7 %. Somit hätte eine große Koalition keine Mehrheit mehr, mit den Grünen ginge sich eine um eine Partei größere große Koalition aus, knapp ging das auch mit den NEOS. Aber sowohl SPÖ als auch ÖVP hätten mit der FPÖ eine passable Mehrheit, aber wohl unter einem Kanzler H.C. Strache, der wahrscheinlich nicht so dumm wie Jörg Haider im Jahre 2000 sein und der schwächeren Partei den Kanzler überlassen wird. Die FPÖ könnte sich in diesem Fall den Partner aussuchen, also sozusagen den Meistbieter nehmen. Die Erfahrungen welche die Partei mit der Schüssel-ÖVP machte, wären aber vermutlich ein SPÖ-Vorteil.

Eine rot-schwarz-grüne Koalition würde jedoch im wesentlichen der FPÖ helfen, weil dann die Zuwanderung wohl zumindest teilweise reaktiviert werden könnte, auch wenn man jetzt auf grüner Seite vielleicht gar nimmer so fanatisch auf "weltoffen" macht, wie es diejenigen SPÖ-Leute tun, die glauben es wäre "links", wenn man massiv gegen die diesbezügliche Stimmung im Volke auftritt.

Aber was soll die Hellseherei, warten wir ab und lassen wir uns vielleicht sogar verblüffen...