Der allerletzte Vertrauensvorschuss...

...für die alte, neue Bundesregierung

Efgani Dönmez, ehemaliger Bundesrat der Grünen, am 21.5.2016 in den OÖNachrichten

Der neue Bundeskanzler Christian Kern hat eine deutliche Ansage für eine neue Politik, aber auch für einen neuen Politikstil getätigt.

Er kritisierte "Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit", "politische Rituale und Inhaltslosigkeit" und wandte sich gegen einen Stil, der dem politischen Gegner "keinen Millimeter Erfolg gönnt".

Die SPÖ werde "insbesonders der ÖVP und auch den anderen Parteien ihre Hand entgegenstrecken, um Projekte für das Land zu entwickeln". Die zentralen politischen Herausforderungen dabei sind für jeden politisch Interessierten bekannt. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Ankurbelung der Wirtschaft, Bildung auf Höhe der Zeit bringen und in der Integrationsfrage endlich die Spreu vom Weizen trennen. Kern will in der Koalition eine neue Form der Zusammenarbeit: "Es macht keinen Sinn, dem anderen keinen Millimeter Erfolg zu gönnen. Bei jeder Idee, die der andere versucht konstruktiv zu entwickeln, von vornherein 'Njet' zu sagen und für eine sinnvolle Diskussion nicht zur Verfügung zu stehen." In Richtung Regierungszusammenarbeit sagte der neue Bundeskanzler: "Wenn wir jetzt nicht kapiert haben, dass das unsere letzte Chance ist, dann werden die beiden Großparteien und diese Regierung von der Bildfläche verschwinden. Und wahrscheinlich völlig zurecht."

"Die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und Ängste" - das ist für Kern das zweite wichtige Ziel seiner Kanzlerschaft und ein "New Deal", Vorschläge, "damit Österreich wieder auf die Überholspur kommt".

Was der neue Bundeskanzler und viele andere Politiker nicht erwähnen, ist das Faktum, dass der Handlungsspielraum für nachfolgende Politikergenerationen immer kleiner wird. Die Budgets sind bereits für Jahre im Voraus verplant und die Staatsverschuldung steigt. Die Fixkosten des laufenden Betriebes verschlingen mehr als 80 Prozent des zur Verfügung stehenden Budgets. Inhalte werden nicht primär von den Politikern vorgegeben, sondern von den Finanzmärkten, Banken und der Industrie.

Das Grundkapital der Politik basiert auf Vertrauen. Menschen, die Vertrauen zu sich selbst haben, vertrauen auch anderen. Menschen, die sich selbst nicht vertrauen, können niemandem vertrauen. Aus Selbstvertrauen entsteht Vertrauen. Das Vertrauen der Bevölkerung gewinnt die Politik erst dann zurück, wenn sie das Zepter selber wieder in die Hand nimmt.

Auf dieser neuen, alten Bundesregierung lastet ein enormer Druck. Bis spätestens 2018 hat sie Zeit, das zurückzugewinnen, was an Vertrauen verloren gegangen ist. Ob die ausgesteckte Hand zu einer Faust wird, einem ausgestreckten Mittelfinger oder einem versöhnenden Handschlag, wird die Zukunft zeigen, insbesondere durch die gesetzten Handlungen.