Dazu eine Vorbemerkung von atheisten-info: Was in der BRD die "Tagesschau" ist, heißt in Österreich "Zeit im Bild". Vor 50 Jahren war diese TV-Nachrichtensendung des staatlichen Fernsehens im neutralen Österreich bei US-Bezug in US-Händen. Bei einem US-Fachmann namens Hugo Portisch. Er hatte seine journalistische Ausbildung in den USA erhalten und war vom US-Geist erfüllt wie ein Pressesprecher des Weißen Hauses. Damals tobte der Vietnamkrieg und Portisch tobte 200%ig auf US-Seite mit. Wenn er bei seiner Berichterstattung irgendwo in die Nähe eines US-Präsidenten geriet, dann steigerte sich seine Begeisterung zu einem wahren Orgasmus. Die Leute, die beim Vietnamkonflikt auf der Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh-Seite standen, sahen sich damals die deutsche Tagesschau an, weil die war vergleichsweise in diesen Bereichen viel ausgewogener als der US-Po-Po-Portisch. Das hat sich in den letzten 50 Jahren offenbar stark verändert, wie an der hier folgenden Programmbeschwerde mit satirischer Einleitung zu lesen ist:
Vorsichtig, in Abständen von mindestens drei Minuten, schlichen sie
ins Restaurant "Cuneo" in Hamburg St.Pauli. Dr. Gniffke hatte sie
eingeladen, die Getreuen aus der ARD-aktuell-Redaktion und ausgesuchte NDR-Rundfunkräte.
Als alle zum konspirativen Treffen ihre Plätze eingenommen hatten, die
Linguine Gamberetti dampften schon auf den Tellern, hob Dr. Gniffke sein Glas
und sagte in fließendem Italienisch: "Cin cin!". Frau Thümler,
Vorsitzeden des Rundfunkrates erwiderte mit einem "Prösterchen"
und die TAGESSCHAU-Redaktionsleiterin, Christiane Krogmann, die einst vom Syker
Kreisblatt zum NDR gekommen war, ergänzte volksmundig: "Prost, wer
nix hett, de hoost." Man war im Kiez zusammengekommen, um eine Revolution
zu planen.
"Seit Jahr und Tag," begann Dr. Gniffke seinen Vortrag,
"machen wir brav was die jeweilige Regierung uns vorschreibt. Aber jetzt
ist Schluß! Die Kanzlerin ist uns in den Rücken gefallen! Hat die
doch glatt gesagt, die Bürger hätten kein Vertrauen in die Medien.
Die Medien, das sind wir! So nicht Frau Kanzlerin!" Drei, vier Flaschen
von dem kräftigen Roten weiter, stand der ehemalige Hamburger DGB-Chef
und Rundfunkrat Uwe Grund auf: "Wir werden diesen Verrat nicht hinnehmen,
wie boyklottieren, äh, wir boyloktieren diesen Satz einfach. Der wird nicht
gesendet! Pasta! oder wie das auf italienisch heißt. Hiermit ist die Rundfunkräte-Republik
eröffnet!" Und so nahm das Schicksal seinen Lauf: Erstmals seit der
Existenz der TAGESSCHAU wurde ein wichtiger Kanzler-Satz unterschlagen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
hat sich besorgt über den Glaubwürdigkeitsverlust der Medien geäußert.
60 Prozent der Bürger hätten laut Umfragen "wenig oder gar kein
Vertrauen in die Medien", sagte Merkel am Donnerstag bei der CDU-Veranstaltung
"MediaNight" in der Parteizentrale in Berlin. Sie betonte: "Das
muss uns alle unruhig stimmen."
Dr. Gniffke und Sie, seine beifälligen
Rundfunkräte fühlen sich hingegen ersichtlich ganz und gar nicht beunruhigt,
weil er und Sie meinen, ARD-aktuell beweise Qualitätsjournalismus - staatsvertragsgemäß
und fehlerfrei. Sie geben sich als nicht von der Kanzlerin angesprochen. Sehr
zu Unrecht, wie wir unzählige Male belegt haben.
Die selbstgerechte
Attitüde ist wohl auch der Grund, warum die Redaktion meinte, über
die Kanzlerinnenkritik erhaben zu sein und sie einfach unterschlagen zu können,
als ob es nicht von wesentlicher Bedeutung für das Funktionieren der demokratischen
Gesellschaft wäre, dass eine Bevölkerungsmehrheit, die Fachwelt und
nunmehr sogar die Regierungschefin den Leitmedien massiven Vertrauensverlust
attestiert; auch wir haben immer wieder warnend darauf hingewiesen.
Wieder
einmal erweist sich ARD-aktuell unfähig, wichtige Informationen aus dem
Überangebot an Nachrichten auszuwählen und die Meldungen angemessen
zu gewichten. Ellenlang berichten Tagesschau & Co. über kleine
Krisen in Eriwan, Überfälle in Brasilien, belanglose Themen aus Georgien,
Selbstlob aus dem Kanzleramt, Königshaus-Festivitäten aus Saudi-Arabien.
Aber das, was sie selber betrifft - fundamentale Medienkritik, sogar von
der Kanzlerin aufgegriffen - wird unterschlagen.
ARD-aktuell verletzte
mit dem mutmaßlich sehr bewussten, absichtlichen Weglassen der Merkel-Äußerungen
die Programmrichtlinien, es sieht ganz danach aus, dass die Redaktion den
Verstoß gegen den Staatsvertrag bewusst in Kauf nahm, um das Problem der
Medienkrise nicht gar zu intensiv ins öffentliche Bewusstsein zu drücken.
Betonen möchten wir, dass andere Mainstream-Medien ihrer Berichtspflicht
nachgekommen sind, obwohl auch für sie die Äußerungen der Bundeskanzlerin
unangenehm gewesen sein dürften.
Mit höflichem Gruß - F. Klinkhammer und V. Bräutigam