Seit Wochen bestimmt der mögliche Austritt Großbritanniens
aus der EU die europäische Medien-Landschaft. Politik und Medien entwerfen
immer neue Schreckensszenarien und warnen davor, dass die Entscheidung für
einen Brexit das Schicksal Europas besiegeln könnte. Der Mord an der
britischen Labour-Abgeordneten und EU-Befürworterin Jo Cox zeigt, wie aufgeheizt
die Stimmung ist.
Dabei handelt es sich bei der Brexit-Debatte um
nichts anderes als eine im Interesse der Finanzindustrie inszenierte Täuschungskampagne.
Ihr Ziel ist es, die Wut der arbeitenden Bevölkerung zu kanalisieren, den
Menschen fälschlicherweise ein demokratisches Mitspracherecht in wichtigen
Zukunftsfragen vorzugaukeln und sie von den wirklich entscheidenden Vorgängen
– den historischen Manipulationen im Finanzsektor - abzulenken.
Hintergrund der Brexit-Abstimmung ist die wachsende Unzufriedenheit der
britischen Bevölkerung mit den sozialen und politischen Verhältnissen
in ihrem Land. Sie hat dazu geführt, dass die beiden großen Volksparteien
Labour und Tories immer stärker an Rückhalt verlieren und die nationalkonservative
UKIP (United Kingdom Independence Party) ganz erheblich an Zulauf gewonnen hat.
Um diesen Protest nicht aus dem Ruder laufen zu lassen und die eigene Macht
zu sichern, hat Premierminister Cameron eine zunächst für 2017 angekündigte
Volksabstimmung auf den 23. Juni dieses Jahres vorziehen lassen.
Ziel
dieser Abstimmung ist es, der arbeitenden Bevölkerung Großbritanniens
das Gefühl zu geben, sie selber entscheide über die Zukunft ihres
Landes. Das ist immens wichtig, da die Regierung angesichts der sich verschärfenden
Finanzkrise schon bald erneute Einschnitte im Staatshaushalt vornehmen und den
Lebensstandard der breiten Masse weiter senken wird, während sie der Finanzindustrie
auch in Zukunft erlauben wird, die Märkte nach Belieben zu manipulieren.
Die
Brexit-Kampagne ist aber nicht nur ein Täuschungsmanöver, sondern
auch ein zwischen Politik und Wirtschaft abgekartetes Spiel: Die von Premier
Cameron vertretene Finanz- und Wirtschaftselite setzt seit Monaten die ganze
Macht der von ihr finanzierten Medien dafür ein, den Ausgang des Referendums
zum eigenen Vorteil – also zum Verbleib in der EU - zu beeinflussen.
Selbst
für den Fall, dass die Entscheidung allen Manipulationsversuchen zum Trotz
für einen Brexit ausfallen sollte, ist die Finanzindustrie gerüstet:
Sie treibt die Kurse vor dem Referendum auf Rekordhöhen, um der arbeitenden
Bevölkerung Europas im Fall einer Niederlage durch Kursstürze zu zeigen:
Seht her, was passiert, wenn ihr euch gegen das Diktat der EU auflehnt! Da die
EU-Vorschriften für den möglichen Austritt eines Landes eine Übergangsphase
von 2 Jahren vorsehen, kann man sicher sein, dass die Finanzelite die Menschen
innerhalb dieser Zeit durch Diffamierung, Einschüchterung und unverhohlene
Drohungen – unterstützt durch Medien, Politik und weitere Erschütterungen
der Finanzmärkte – dazu bringen würde, ihre Entscheidung in einer
zweiten Wahl zu widerrufen.
Das von EU-Befürwortern am häufigsten vorgebrachte Argument gegen
die Brexit-Anhänger bezichtigt diese der Europa-Feindlichkeit. Dahinter
steht die fälschliche Gleichsetzung von EU und Europa. Beide haben nichts
miteinander zu tun.
Der Europagedanke verkörpert für die arbeitenden
Menschen auf dem Kontinent die Überwindung historischer Konflikte, die
Durchlässigkeit von Grenzen und das harmonische Miteinander verschiedener
Kulturen*). Von einem vereinten Europa erhoffen
sie sich Frieden, demokratische Strukturen und einen freien Handel, der Wohlstand
für alle gewährleistet.
*) Anmerkung
atheisten-info: Das trifft sicherlich nicht zu, weil sonst würden sich
die arbeitenden Menschen nicht rechtspopulistischen Parteien zuwenden, ein allgemeines
harmonisches Miteinander verschiedener Kulturen ist eine Illusion.
Die
EU garantiert nichts von alledem. Als Nachfolgerin der Europäischen
Gemeinschaft (EG) und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ist
die EU ein Zweckbündnis, das in den vergangenen Jahren gezeigt hat: Es
vertritt nicht die Interessen der arbeitenden Bevölkerung, sondern die
einer winzigen Wirtschafts- und Finanzelite, und das ohne jegliche demokratische
Legitimation.
Obwohl das Europäische Parlament von den Bürgern
der EU-Länder gewählt wird, werden die maßgeblichen Funktionäre
in Absprache mit der Wirtschafts- und Finanzindustrie ernannt. So hat keines
der 26 Mitglieder der EU-Kommission, des höchsten und wichtigsten Exekutiv-Gremiums
der EU, die Legitimation der europäischen Bevölkerung. Die wichtigsten
Entscheidungen der EU (u.a. auch die Verträge von Maastricht und Lissabon)
wurden unter maßgeblicher Mitarbeit des „European Round Table of Industrialists“
getroffen, einer Vereinigung von etwa 50 Führungskräften europäischer
Großkonzerne. Alle wichtigen Finanzentscheidungen werden mit der Führungsspitze
der Europäischen Zentralbank (EZB) abgesprochen. Weder die Mitglieder des
Round Table, noch die der EZB müssen sich den Wählern gegenüber
verantworten.
Dieses bewusste Umgehen aller demokratischen Kontrollen
und der mittlerweile riesige bürokratische Brüsseler Apparat mit seiner
Mischung aus Überheblichkeit und Selbstbedienungs-Mentalität stößt
die arbeitenden Menschen in Europa von Jahr zu Jahr mehr ab. Hinzu kommt, dass
die Bilanz der EU-Bürokraten in der Eurokrise verheerend ausfällt:
Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit haben Rekordniveaus erreicht, der
Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung ist auf breiter Ebene gesunken,
während eine winzige Elite noch reicher geworden ist.
Um die
Menschen, die aus ihrer Empörung über diese Verhältnisse die
Konsequenzen ziehen und für einen Brexit stimmen, zu diffamieren, werfen
Medien und Politik sie mit Ausländerfeinden, Faschisten und Kriminellen
in einen Topf. Sie schaffen damit genau das soziale Klima, das den Mord an Jo
Cox begünstigt hat.
Die Brexit-Kampagne dient auch dazu, die Menschen von den immer dreisteren
Manipulationen an den Finanzmärkten abzulenken. Diese haben gerade
in den vergangenen Wochen und Monaten eine neue Dimension erreicht. Nachdem
die EZB seit März 2015 bereits mehr als eine halbe Billion Euro in das
Finanzsystem gepumpt hat, hat sie den Leitzins im März dieses Jahres auf
Null gesenkt. D.h.: Die Finanzelite, die das Geld zum größten
Teil nicht etwa investiert, sondern in die Spekulation an den Aktien-, Anleihen-
und Immobilienmärkten steckt, zahlt für das ihr zur Verfügung
gestellte Geld keinen Cent Zinsen mehr.
Darüber hinaus hat die
EZB im Juni begonnen, auch Unternehmensanleihen aufzukaufen. D.h.: Sie hilft
Großunternehmen, deren Schuldner nicht zahlen können, die fehlenden
Gelder aufzustocken und animiert sie auf diese Weise, zusätzliche Risiken
einzugehen oder ihr Geld für Aktienrückkäufe zu verwenden, um
so die Manager-Boni noch weiter in die Höhe zu treiben. Zudem verfälscht
sie auf diese Weise die ohnehin exzessiv manipulierten Aktien- und Anleihenmärkte
noch weiter.
Großer Verlierer dieser Geldpolitik sind nicht nur
regionale Banken und Sparkassen, die wegen der Nullzinspolitik bereits zum Teil
ums Überleben kämpfen. Vor allem der Mittelstand, der nichts von dem
zur Verfügung gestellten kostenlosen Geld sehen wird, wird weiterhin um
die Zuteilung von Krediten betteln müssen und erleben, wie sich seine Konkurrenzsituation
gegenüber größeren Marktteilnehmern weiter verschlechtert.
Der
ganz große Verlierer könnte aber schon bald die gesamte arbeitende
Bevölkerung sein, denn die Anzeichen verdichten sich, dass die Maßnahmen
zur Aufrechterhaltung des Systems immer weniger wirken. Dass deutsche Bundesanleihen
in der vergangenen Woche zum ersten Mal negative Renditen erbrachten, ist ein
mehr als deutliches Warnzeichen. Dass die US-Zentralbank den Leitzins nicht
wie die EZB auf Null senken kann, ohne den Reservestatus der US-Dollars und
damit dessen finanzielle Weltherrschaft zu gefährden, ist ein weiteres.
Dass
sämtliche inflationsfördernde Maßnahmen der Vergangenheit wirkungslos
verpufft sind und die Zentralbanken ihr Pulver im Kampf gegen die Deflation
so gut wie verschossen haben, dass Großinvestoren sich aus den Märkten
zurückgezogen haben und auf Sachwerte setzen, dass der Goldpreis sich trotz
aller Manipulation derzeit nicht weiter drücken lässt – all das sind
Symptome des Verfalls, die in ihrer Gesamtheit darauf hindeuten, dass auch die
Kampagne gegen den Brexit den endgültigen Zusammenbruch eines maroden Systems,
das ohne Manipulation längst Geschichte wäre, nicht mehr lange aufzuhalten
vermag.