Die Partei ohne Eigenschaften

Gastkommentar von Roland Fürst am 17. 8. 2016 in der PRESSE - hier online wiedergegeben mit der Zustimmung des Autors, dieser ist Departmentleiter für Soziales an der Fachhochschule Burgenland und stv. Parteivorsitzender der SPÖ Bad Sauerbrunn.

Das Kreuz mit dem dritten Pfeil offenbart die ideologischen Schwächen der SPÖ.

Fragen Sie fünf SPÖ-Funktionäre in Österreich, wofür die Partei politisch eigentlich stehe, bekommen Sie mindestens sieben verschiedene Antworten: von der Koalitionsfrage mit der FPÖ bis hin zur Frage der Integration. Die SPÖ hat sich ideologisch zu einer "Partei ohne Eigenschaften" entwickelt, die die sozialdemokratischen Grundwerte in den vergangenen Jahren sukzessive auf dem Koalitionsaltar mit der ÖVP opfern musste.

Gerade eben scheiterte die Kanzlerpartei mit einem sozialdemokratischen Klassiker wie der Mietrechtsreform am Widerstand der ÖVP, wieder einmal. Auch wenn sich der neue SP-Parteivorsitzende zumindest rhetorisch bemüht, an sozialdemokratische Paradigmen anzuschließen (Wertschöpfungsabgabe), so bleibt der Verlust der Glaubwürdigkeit ebenso hoch wie der Verrat an den Grundwerten der Sozialdemokratie.

Die drei Pfeile, die den ideologischen Kampf der Sozialdemokraten gegen Faschismus, Kapitalismus und Klerikalismus symbolisieren, sind stumpf geworden. Wenn man diese drei ideologischen Werte konsequent ins 21. Jahrhundert vorwärtsdenkt, dann wird das Versagen der Sozialdemokratie insbesondere im aktuellen Diskurs rund um das Verhältnis zwischen SPÖ und dem Islam sichtbar.

Antiklerikalen Pfad verlassen

Die SPÖ hat sich mit der Kirche in Österreich immer bestens arrangiert, und schon früh verließen die politisch Verantwortlichen den antiklerikalen Pfad, oftmals aus politischem Kalkül. So konnte sich Österreich auch nie zu einer echten laizistischen Demokratie entwickeln.
Die in Österreich vorherrschende katholische Kirche büßte ihren mächtigen Einfluss nur deswegen ein, weil eine Reihe von unglaublichen Missbrauchsskandalen das System Kirche fast zum Einsturz brachte.

Die katholische Kirche ist nach wie vor so intensiv mit sich selbst und ihrer Glaubwürdigkeit beschäftigt, sodass ihr Einfluss auf die Gesellschaft enorm zurückgegangen ist. Die aktuellen Kirchenvertreter treten derart demütig in der Öffentlichkeit auf, dass diese sogar bei hartgesottenen Atheisten ein gewisses Maß an Mitleid auslösen. Die Politik und im Speziellen die Sozialdemokratie verabsäumen es, die Trennung zwischen Kirche und Staat klar zu definieren, um diese auch zu leben. Das könnte sich nun rächen.

Islamkritik wurde tabuisiert

Mit der rasanten Zunahme der Muslime in Österreich von 160.000 im Jahr 1991 auf knapp 600.000 im Jahr 2015 wächst eine Glaubensgemeinschaft heran, die teilweise andere Ansprüche mitbringt, was die Säkularisierung betrifft. Die Aufregung rund um die islamischen Kindergärten zeigt eindrucksvoll die naive Blauäugigkeit der politisch Verantwortlichen auf, und man wird sehen, ob die Sozialdemokratie die richtigen Lehren daraus zieht.

Jahrelang wurde die Kritik am Islam innerhalb der Linken in der SPÖ groteskerweise tabuisiert, und ein Diskurs darüber wurde verunmöglicht. Beunruhigend ist aber auch das generelle Stillschweigen der SPÖ gegenüber verschiedenen islamischen reaktionären Gruppen und eigenen Funktionären, die ganz offen für Erdoğan und dessen reaktionäre AKP in Österreich demonstrieren.

Während alle anderen Parteien, sogar die Grünen mit Peter Pilz und Efgani Dönmez dieses Problem aufzeigen und ganz scharf kritisieren, zaudert die SPÖ mit klaren Ansagen in den eigenen Reihen. Bundeskanzler Christian Kern hat gegenüber der Türkei bewiesen, dass er zu diesen notwendigen klaren Aussagen durchaus im Stande ist. Nun erwarten viele in der SPÖ, dass er diese Klarheit in seiner Funktion als SPÖ-Vorsitzender auch in der eigenen Partei umsetzt und somit ein Stück sozialdemokratische Glaubwürdigkeit wiederherstellt.