Marmor, Stein und Eisen bricht...

...aber unser Bündnis nicht!

Uli Gellermann am 1. September 2016 auf www.rationalgalerie.de

"Außenministerium, guten Tag." - "Hier ist das Büro des NDR-Intendanten, Lutz Marmor. Wir haben da mal 'ne Frage: Unser NATO-Verbündeter Türkei hat gerade die syrische Grenze überschritten und schießt auf unsere kurdischen Verbündeten. Ist das nicht sowas wie einen Aggression? Oder sogar Bruch des Völkerrechtes? Müssten wir das nicht irgendwie kommentieren?"

"Nun sagen Sie mal Ihrem Intendanten: Ein Bündnis ist ein Bündnis ist ein Bündnis! Da bricht gar nichts, nicht mal des Völkerrecht. Zitieren Sie einfach die Türkei: 'Türkische Regierungsbeamte sagten, die Offensive werde so lange fortgesetzt, bis die Terrorbedrohung der Türkei ausgeschaltet sei.' Na bitte." Und singt: "Marmor, Stein und Eisen bricht. Aber unsere Bündnis nicht!" Und so hat es die TAGESSCHAU denn auch gebracht.

ARD-aktuell demonstriert Rechtsnihilismus:
Türkischer Überfall = Offensive - siehe Tagesschau

Sehr geehrter Herr Intendant Marmor,
uns ist noch gar deutlich in Erinnerung, wie ARD-aktuell den immerhin demokratisch legitimierten Beitritt der Krim zur Russischen Föderation hoch, runter, vor und wieder zurück als Bruch des Völkerrechts begeiferte, und bis zur Stunde verwendet die Redaktion in dem Zusammenhang ja auch noch das Wort "Annexion", trotz anderslautender und begründeter Rechtsmeinungen über die Krim-Thematik.
Mit keinem Wort erwähnte ARD-aktuell hingegen nun, dass der Einmarsch türkischer Truppen in Syrien ein unzweideutiger Kriegsakt ist und dass der Angriff auf syrisches Hoheitsgebiet einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt. ARD-aktuell verschwieg, dass Syrien deshalb die Vereinten Nationen aufgefordert hat, dieser militärischen Aggression Einhalt zu gebieten.
Stattdessen wird das Vorgehen der Türkei quasi als legitime und gerechtfertigte "Offensive" im Kampf gegen den IS-Terrorismus dargestellt und ein klein wenig nebenher mitgeteilt, dass der Angriff auch den von den USA unterstützten Kurden gelte (die, soweit der lokalen Einwohnerschaft zugehörig, übrigens syrische Staatsbürger sind). Die Redaktion lässt mit dieser Art von Berichterstattung einen unvertretbaren Rechtsnihilismus erkennen, vollkommen unvereinbar mit journalistischen Grundsätzen, durchaus aber harmonierend mit den Politiklinien der Bundesregierung.
Wir wundern uns über die hier wiederum sichtbaren "double standards" nicht mehr. Sie gehören zum Propaganda-Werkzeug Ihres Senders und bestärken uns in der Überzeugung, dass ARD-aktuell bewusst und vorsätzlich gegen die Bestimmungen des Staatsvertrages verstößt.
Wie heuchelte Dr. Gniffke in der letzten Ausgabe der NDR-Betriebszeitung? "Selbstkritisch bleiben, gewissenhaft recherchieren". Und Sie als Intendant? "Wir scheuen keine Mühen, Fakten zu recherchieren und die Wahrheit herauszufinden".
Da capo! Auch wenn es trotz noch so häufigen Wiederholens kein Stück glaubwürdiger wird. Aber es klingt so schön hohl...
Wie man ihn (Chefredakteur Dr. Gniffke) und Sie (NDR-Intendant) angesichts der Diskrepanz zwischen Selbstbild und Programmbild noch ernst nehmen könnte, wissen die Götter. Wir jedenfalls nicht, und der Rundfunkrat weiß es vermutlich auch nicht. Aber wir können ihn ja ein weiteres Mal fragen, nicht? Im Rahmen einer förmlichen Programmbeschwerde, versuchshalber. Wegen unvollständiger und realitätsverzerrender Darstellung eines Kriegsaktes in den Nachrichten der ARD-aktuell.
F. Klinkhammer und V. Bräutigam