Schönborn schöpft Gipfelkreuze aus der Schöpfung

Am 9.9.2016 befasste sich Kardinal Schönborn in seiner Freitagspredigt in der Straßenbahnzeitung "Heute" mit der Kritik von Reinhold Mesner an den Gipfelkreuzen. Der Wiener Bischof schreibt unter dem Titel "Gipfel ohne Kreuze?":

"Einmal mehr wird das Kreuz zum Ärgernis. In Oberbayern, unweit der Grenze zu Tirol, wurden drei Gipfelkreuze mutwillig mit Axthieben zerstört. Wer steht hinter diesem Vandalismus?
Ein Fall von religiösem Hass? Bislang gibt es keine Erklärung. Reinhold Messner, der frühere Extrembergsteiger, hat sich dazu geäußert: 'Gipfelkreuze gehören nicht auf den Berg!' Er meint: 'Das Kreuz ist das christliche Symbol schlechthin. Die Gipfel aber, die doch der ganzen Menschheit gehören, sollen nicht mit dieser einen Weltanschauung besetzt werden'. Er selbst würde zwar niemals eines zerstören, hätte jedoch auch nichts dagegen, wenn es künftig keine weiteren mehr gäbe.
Gegenfrage: Haben wir die Berge erschaffen? Sind wir die Eigentümer dieser Welt? Gerade heute tut es uns gut, an den Schöpfer erinnert zu werden. Wem verdanken wir die Schönheit der Berge? Und wem die Kraft, sie zu besteigen? Ist es nicht eine Freude, am Gipfel des Berges dem Schöpfer zu danken? Das wussten unsere Vorfahren, die die Gipfelkreuze errichtet haben. Sind wir so viel gescheiter geworden als sie?"

Die Meinung von Messner war natürlich auf der atheisten-info-Site nachlesbar, siehe "Gipfelkreuze", selbstverständlich zitiert Schönborn die Worte Messners über den Ursprung der Gipfelkreuze nicht: "Anfangs waren sie bei uns auch Symbole des Widerstands gegen die Aufklärung: Als die gläubigen Tiroler gegen die Fremdherrschaft der Bayern und Franzosen kämpften, stellten sie die Kreuze als Protest gegen die Franzosen auf, die ja ihren Machtkampf gegen die katholische Kirche führten. Danach verselbständigte sich die Sache, und es setzte eine regelrechte Verspargelung der Alpen mit Kreuzen ein."

Aber schauen wir uns die straßenbahnzeitungsliche Verkündung der christlichen Gipfelkreuzlehre genauer an!

Nein, wir haben die Berge nicht erschaffen, sie sind eine Folge der Kontinentbildung, Gebirge sind durch die Kontinentalverschiebungen verursachten Auffaltungen, die katholische Kirche hat dabei nicht mitgefaltet, das war schon lange entstanden, bevor es Leben auf der Erde gab. Aber der Schönborn hat ja seine Bibel! Denn in Genesis 1,9-10 steht: "Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es. Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war."

Wann der katholische Gott trockene Landesteile zu Gebirgen gewölbt hat, steht nicht in der Bibel, weil auf der biblischen Erdenscheibe gab es keine schönen Berge, hier ein Wikimedia-Bild vom Lieblingsberg des katholischen Vatergottes, dem Sinai, Blick vom Gipfel auf die Umgebung:


und am Gipfel des Berges Sinai ist keinerlei Kreuz zu sehen, wie das nächste Wiki-Bild zeigt:


Wenn der katholische Gott so ein Berge-Fan gewesen wäre, wie der Herr Kardinal vermutet, dann hätte er seine zehn Gebote wohl vom Glockner oder einem anderen schönen Berg verkündet!

Edward Compton hat dieses Bild vom Glockner 1921 gemalt, Wikipedia verwendet es heutzutage.

Und was meint der Herr Schönborn dazu, warum er alle anderen Götter diskriminiert und fest glaubt, ausgerechnet sein Gott, also die erste Falte seines dreifaltigen Christengottes, der Schöpfer der gebirglichen Schönheit sei? Warum nicht Osiris oder Zeus? Jupiter oder Manitu? Teutates oder Wotan? Allah oder Quetzalcoatl?

Daher ein atheistischer Vorschlag:

Die Berge wurden nicht durch katholische oder sonstige Götter geschaffen, sie sind ein Bestandteil der hunderte Millionen Jahre dauernden Formung des Planeten Erde durch seine materiellen Um- und Zustände. Christliche Bergsteiger können sich ja ein Kreuz mitnehmen und sich dann am Gipfel bei ihrem Kreuz dafür bedanken, dass sie so eine göttliche Bergbesteigung auf einen göttlich schönen Berg geschafft haben. Und wenn ein christlicher Bergsteiger beim Bergsteigen hinunterfällt, braucht er nicht verzweifelt einen letzten Blick zum Gipfelkreuz richten, sondern kann sich am mitgebrachten Kreuz festhalten und ein Rettungsstoßgebet an seinen Gott loslassen...

PS: Achja, selbstverständlich sind wir gescheiter geworden seit der Zeit als die ersten Gipfelkreuze gesetzt wurden! Die damaligen tirolerisch-katholischen Kämpfer sind auch in den Kampf gezogen, um die französisch-bayrischen Versuche abzuwehren, in Tirol die Pockenimpfung einzuführen, weil wenn der katholische Gott nicht nur schöne Berge, sondern auch böse Krankheiten schickt, so darf der Mensch seinem Gott nicht ins Handwerk pfuschen. Seither sind alle gescheiter geworden, sogar auch dumme Katholiken, die ja heute nimmer gegen Impfungen sind...

PPS: Habe mir gerade den Schönborn-Text nochmal gelesen! Man fasst es nicht, dass ein Mensch im 21. Jahrhundert immer noch so schlicht zu denken vermag! Aufklärung und Wissenschaft sind an diesem Kopf spurlos vorbeigezogen...