Zweierlei Maß und zweierlei Maßregelung desselben – das bringt dieser Artikel (Bild: annca, pixabay).
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung steht nur zufällig auf der
Leseliste des Berichterstatters. Da war es interessant, diesen Artikel
zu lesen: Der Neonazi neben mir (HAZ 17.9.).
Zum Thema "Was tun mit Rechtsextremen?" wird der correcte Umgang mit
Neonazis diskutiert. Unausgesprochen dabei: Das Erscheinungsbild reicht
für die Verurteilung, auch wenn die Betreffenden ihre Arbeit tun und
sich dabei nett und höflich benehmen. Die Story dreht sich um einen
Umzug, wo der HAZ-Autor eine "unschöne Erfahrung" macht: Der bestellte
Helfer trägt Glatze, schwarze Kleidung mit Springerstiefeln bei 30 Grad
und den Reichsadler auf dem Gürtel. In der Folge wird über den Umgang
mit rechtsextremistischen Symbolen beim Friseur, auf der Straße, im
Betrieb diskutiert, und über die eigene Hilflosigkeit darob.
Das Highlight des Artikels bildet ein Anruf bei der "Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus Berlin". Auskunft dort: "Wir ermutigen jeden
dazu, das (die Ressentiments, wb) offen anzusprechen." Also dem
Betreffenden zu erklären, dass man seine rechtsextremistisch inspirierte
Kleiderwahl und seine Gesinnung im Haus nicht duldet.
Die sofortige Assoziation beim Lesen: Der Neonazi neben mir gehört übersetzt in Die Burkaträgerin neben mir.
Die trägt bei 30 Grad ihr Verhüllungsgewand, und wie gestaltet sich nun
der Umgang mit solchen religiotischen Symbolen auf der Straße, im
Betrieb? Und die eigene Hilflosigkeit darob? Gibt es dann den Anruf bei
der "Mobilen Beratung gegen Religiotie Berlin"? Und die Auskunft: "Wir
ermutigen jeden dazu, das (die Ressentiments) offen anzusprechen." Also
der Betreffenden zu erklären, dass man ihre religiotisch inspirierte
Kleiderwahl und ihre Gesinnung im Haus nicht duldet?
Wohl kaum.
Interessanterweise wurde das Thema anhand von einem anderen Artikel
aufgegriffen und in seiner Absurdität gespiegelt, was einer Maßregelung
gleichkommt. Die Satireseite qpress nahm einen Huffington-Text vom 21.9. "Ich sehe, Sie tragen Kopftuch": Was mich meine Vorstellungsgespräche über Deutschland gelehrt haben. Daraus machte der qpress-Macher Wilfried Kahrs am 22.9. "Ich sehe, Sie tragen Springerstiefel": Was mich meine Vorstellungsgespräche über Deutschland lehrten.
Eine schöne Koinzidenz, einmal das Kopftuch in die Springerstiefel
transformiert, das andere Mal andersrum. Schade nur, dass Kahrs nicht den
HAZ-Artikel kannte. Der gibt noch mehr Stoff für Ironie her, durch die
"Mobile Beratung" und die krasse Verurteilung, dass man so jemand nicht
im Haus dulden möchte. Dazu die abschließende Frage des
Huffington-Artikels: Warum wird es uns so schwer gemacht?
Weil die Leute keine religiösen und ideologischen Symbole um sich haben
wollen. Was bei körperlicher Arbeit noch tolerabel ist, wo es um
Mundhalten und Zupacken geht, wird bei Geistesarbeit nicht mehr
akzeptiert. Da sollen die Leute kommunizieren und mehr oder weniger die
Firma vertreten. Und eine Firma möchte keine Ressentiments wecken und
sich deshalb auch nicht mit polarisierendem Personal befrachten.