EU: Gemeinsame Einlagensicherung

Aussendung vom 4.11.2016 von Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament

Arbeitsbeginn im ECON-Ausschuss mit erfreulichem Vorschlag für eine Rückversicherung

Jetzt hat die im Europaparlament federführende niederländische Abgeordnete ("Berichterstatterin") Esther de Lange (Konservative, EVP) ihren Entwurf zur gemeinsamen europäischen Einlagensicherung (EDIS) vorgelegt. Damit ist die Grundlage geschaffen für die Gesetzgebungsarbeit des zuständigen Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) an einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung. Nach der Finanzkrise haben Europaparlament, EU-Kommission und Mitgliedstaaten intensiv an der Errichtung der Bankenunion gearbeitet. Bis jetzt besteht die europäische Bankenunion aus den beiden Säulen Bankenaufsicht und Bankenabwicklung. Die gemeinsame Einlagensicherung ist die dritte, noch zu errichtende Säule. Sie soll die Einlagen der Sparer im Fall einer Bankpleite absichern und in Krisenzeiten den Ansturm von Sparern auf Kreditinstitute ("bank run") verhindern.

Bereits im November 2015 hatte die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag zur Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung vorgelegt, der auf den sogenannten Fünf-Präsidentenbericht zur Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion zurückgeht. Der Kommissionsvorschlag sieht eine gemeinsame Einlagensicherung EDIS ("European Deposit Insurance Scheme") vor, die in der Endstufe einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds für alle Banken der Bankenunion (derzeit Eurozone) schafft. Das Europaparlament ist zusammen mit dem Rat der Mitgliedstaaten Ko-Gesetzgeber zur gemeinsamen Einlagensicherung.

Ausblick: Als nächsten Schritt können die Europaabgeordneten dazu Änderungsanträge einbringen. Auf Basis des Berichtsentwurfs und der Änderungsanträge verhandeln die Mitglieder des ECON-Ausschusses der verschiedenen Fraktionen des Europaparlaments anschließend über die Position des ECON-Ausschusses. Am Ende dieser Verhandlungen steht eine Ausschussabstimmung, deren Ergebnis das Mandat des Europaparlaments für die Verhandlungen mit EU-Kommission und Mitgliedsstaaten (EU-Sprech: Trilog) sein wird.

Sven Giegold kommentiert:

"Es ist erfreulich, dass der Berichtsentwurf zur gemeinsamen Einlagensicherung (EDIS) den zentralen Grünen Vorschlag aufgreift, die Europäische Einlagensicherung als Rückversicherung auszugestalten und auf eine Vollvergemeinschaftung zu verzichten. Damit ist ein wichtiger erster Schritt gemacht, so dass die gemeinsame Einlagensicherung eine Stärkung der bewährten Sicherungssysteme in den Mitgliedstaaten bewirkt, statt sie zu untergraben. Der Vorschlag aus dem Europaparlament beweist damit mehr Augenmaß als die Vorschläge der Kommission: Die von der Brüsseler Behörde angedachte Vollvergemeinschaftung für Spareinlagen würde den Institutssicherungsystemen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Boden entziehen. Der Vorschlag der EU-Kommission ist grotesk, denn er schwächt kleine Institute im Wettbewerb, statt sie gegenüber Großbanken zu stärken. Die Rückversicherung der Einlagensicherung kann dagegen das Ziel ebenso erreichen, Einlagen überall in der Eurozone gleichermaßen sicher zu machen. Die Kampagne der Sparkassen und Genossenschaftsbanken gegen jede Vergemeinschaftung der Einlagensicherung schießt dagegen über das Ziel hinaus und richtet sich letztlich gegen den Zusammenhalt der Eurozone.

Der Berichtsentwurf ist eine gute Grundlage für die weitere Gesetzgebungsarbeit zur gemeinsamen Einlagensicherung. Jedoch macht eine Schwalbe noch keinen Sommer: Noch ist nicht sichergestellt, dass Banken mit geringeren Risiken auch tatsächlich weniger Beiträge entrichten. Die gemeinsame Einlagensicherung darf nicht zu einer Schwächung kleiner und risikoarmer Kreditinstitute führen. Um das Vertrauen von Bürgern und Sparern in die gemeinsame Einlagensicherung zu stärken, ist es außerdem zentral, dass parallel zur Einführung von EDIS Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, um Risiken im Bankensystem abzubauen. Denn nur tatsächlich sichere Banken sollten unter den Schutzschirm einer europäischen Einlagensicherung. Hier handelt die deutsche Bundesregierung kontraproduktiv, wenn sie sich bei den Verhandlungen zu Basel IV erbitterten lobbygetriebenen Widerstand gegen weitere Maßnahmen der Risikoreduktion im Bankensektor leistet."