Wieder kein gutes Jahr für Hellseher und Astrologen
Formicula
heißt der Horrorfilmklassiker aus dem Jahre 1954, der in Schwarz-Weiß den
Angriff mutierter Riesenameisen auf eine Kleinstadt zeigte – nach einer der
vielen Voraussagen des kanadischen Mediums Nikki
Pezaro sollte dieses Szenario 2016 in einer südamerikanischen Stadt
Wirklichkeit werden. Ob diese Prognose ernst gemeint war, darf gerne bezweifelt
werden. Aber auch mit ihren scheinbar realistischeren Prognosen lagen
Hellseher, Wahrsager und Astrologen, weit neben der Realität, wie üblich. Seit
den 90-er-Jahren wertet die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung
von Parawissenschaften esoterische Vorhersagen für das jeweils abgelaufene Jahr
aus, und auch 2016 ist die Trefferquote der Auguren verheerend schlecht.
Unter dem Eindruck der hohen Zahl an Flüchtlingen 2015
hatten gleich mehrere Astrologen auch für 2016 auf weiter steigende
Flüchtlingszahlen mit teilweise katastrophalen Folgen getippt, tatsächlich sind
die Zahlen stark gesunken. Aus altindischen Palmblättern wollte der Leipziger Thomas
Ritter gar gelesen haben, dass Mitte des Jahres wegen der Flüchtlingszahlen
die deutsche Regierung zurücktritt, und der Astrologe Konrad
Gruber las in den Sternen, dass Angela Merkel ihren Verzicht auf eine
weitere Kanzlerkandidatur verkünden werde. Den Mainzer Mathematiker Michael
Kunkel, der seit vielen Jahren solche Voraussagen sammelt und auswertet,
wundert das nicht: "Viele Prognosen schreiben einfach das aktuelle Geschehen
weiter fort und überhöhen es in eine negative, oft auch Angst machende
Richtung."
Wesentlich martialischer waren einige Prognosen aus anderen
Ländern. Zwar hatte auch in Deutschland Astrologin Christiane
Durer davon gefaselt, dass das Land wie von Säure zersetzt werden würde.
Dabei bezog sie sich auf Infrastruktur, Telefon, Strom und Wasserversorgung,
Internet, Kanalisation, Brücken, Straßen, Strom" und erwähnte sogar eine
"radioaktive Verseuchung". Durer ist seit Jahren auf katastrophale
Fehlprognosen abonniert aber wenigstens hatte sie keinen Weltuntergang im
Programm. Den sagte eine obskure christliche Sekte aus den USA mittels eines
Youtube-Videos für den 29.
Juli voraus, und dann nochmals – mit demselben Video – für den 31.
Oktober. Aus Indien kam eine Neuberechnung des Weltendes auf Grund des
Maya-Kalenders (3.
oder 4. Juni), und der aus Peru stammende Prediger Ricardo
Salazar beschrieb gar ein vollständiges Endzeit-Szenario – aber der Angriff
von China auf Japan blieb ebenso aus wie der Asteroid, der Mitte Mai vor Puerto
Rico einschlagen und riesige Vulkanausbrüche in den USA auslösen sollte.
Zur Fußball-EM in Frankreich durften, wie bereits bei
früheren internationalen Turnieren, wieder zahlreiche Orakeltiere für
Lokalzeitungen sowie Rundfunk- und Fernsehstationen ihre Prognosen zu den
Spielen der deutschen Mannschaft abgeben. Doch keines reichte an die Leistung
des legendären Orakelkraken Paul heran, der bei der WM 2010 bei allen acht
Spielen den richtigen Sieger voraussagte. Immerhin das richtige Finalspiel sah
der "Sportastrologe"
Jannis Okun voraus. Allerdings tippte er nicht nur im Finale auf den falschen
Sieger, sondern lag bei seiner Turnierprognose meilenweit daneben: Drei der
sechs späteren Gruppensieger hätten bereits in der Vorrunde ausscheiden sollen.
Aber bei Fußballprognosen kann man natürlich auch richtigliegen: Der bereits
erwähnte Ingolstädter Astrologe Konrad Gruber sah nicht nur voraus, dass der FC
Ingolstadt nicht absteigen werde, er sah auch die deutsche Mannschaft
spätestens im Halbfinale scheitern – jedoch blieb der ebenfalls prognostizierte
Rücktritt von Jogi Löw aufgrund des Ausscheidens aus.
Einen Treffer verbuchte auch Nikki Pezaro bei einer ihrer
Promiprognosen, denn die Trennung von Angelina Jolie und Brad Pitt machte 2016
tatsächlich Schlagzeilen in der Regenbogenpresse. Da sie dies schon den
vorherigen Jahren – falsch – vorausgesagt hatte, ist der Treffer dennoch wenig
beeindruckend. Über Promiprognosen amüsiert sich Kunkel gerne: "Bei Promipaaren
wird die Trennung oder eine bevorstehende Schwangerschaft, bei Promisingles
eine neue Liebe vorausgesagt. Der Rest sind Gesundheitsgefahren bei älteren
Promis und Karrierespekulationen bei jüngeren." Nikki Pezaro lieferte auch
hierzu viele Beispiele, die zumindest teilweise unterhaltsam waren: Die
Vorstellung, dass Justin Bieber in einem Film Elvis verkörpern soll, ist
ähnlich unsinnig wie der – leider namenlose – US-Promi, der von seinem Papagei
getötet werden sollte.
Aber auch Kunkel erlebte Anfang 2016 eine Überraschung: "Das
Eingestehen von Fehlprognosen ist in der Augurenzunft normalerweise nicht
üblich, deshalb hat mich Elizabeth
Teissier doch etwas überrascht." In ihrem 2011 erschienen Buch hatte sie
Prognosen für die Jahre 2012 bis 2016 niedergeschrieben, dabei aber weder die
Ukrainekrise noch den IS erwähnt. Ihre damaligen, sehr schwammigen, Prognosen
kommentierte sie mit dem Satz: "Mit heutigem Wissen würde[n] sie konkreter
ausfallen." Kunkel kann sein Grinsen ob dieses Eingeständnisses nicht
verbergen: "Mit heutigen Wissen ist eine wunderbare Formulierung! Nachhersagen
ist natürlich immer viel leichter, das kann jeder!"
Hintergrundinformationen zur Prognosenauswertung 2016
siehe PDF!
Dazu Video - Dipl.-Math. M. Kunkel: "Weltuntergänge und andere ausgefallene Katastrophen - Wahrsager im Test"
Zum Jahreswechsel werfen Astrologen, Hellseher und Wahrsager
traditionell einen Blick in die Zukunft und sind damit Kandidaten für
den inzwischen ebenfalls traditionellen Rückblick auf diese Prognosen
durch die GWUP. Seit 15 Jahren werden diese Prognosen von Michael Kunkel
gesammelt und ausgewertet. Begleiten Sie ihn auf einem Rundgang durch
die oft skurrile Welt der esoterischen Prognostiker, erinnern Sie sich
mit ihm an ausgefallene Weltuntergänge und lernen Sie Voraussagen wie
die Profis zu erstellen (inkl. der üblichen Ausreden für deren
Nichteintreffen).