Am 15.2.2017 hat das Europaparlament über die Vorschläge der
Europäischen Kommission für Regeln gegen Nahrungsmittelspekulation
abgestimmt. Sozialdemokraten (S&D), Grüne und Linke (GUE/NGL) hatten
in Resolutionen die Zurückweisung des Regelwerks zur Umsetzung (so genannte
"regulatorische technische Standards") gefordert, weil die sie zu
schwach sind, der Spekulation wirklich Grenzen zu setzen*). Christdemokraten
(EVP, CDU/CSU), Rechtskonservative (EKR) und Liberale (ALDE/FDP) verhinderten
jedoch die nötige absolute Mehrheit für die Zurückweisung des
Kommissionsvorschlags. Klarer als in der Umsetzung hatte das Parlament Grenzen
gegen Spekulation als zentrale Errungenschaft der überarbeiteten Finanzmarktrichtlinie
("Markets in Financial Instruments Directive II", kurz: MiFID II)
vorher beschlossen.
*) Zur technischen Umsetzung der Eindämmung
von Spekulation mit Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen haben die EU-Kommission
und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) detaillierte
Regeln (sogenannte "regulatorische technische Standards") vorgelegt.
Diese Regeln für Begrenzungen von Spekulationen auf Waren ("Positionslimits")
ermöglichen den nationalen Finanzaufsichtsbehörden weiterhin sehr
hohe Grenzwerte zu bestimmen. Auch der Faktor der Schwankungsbreite von Preisen
wird bei der Bestimmung von Positionslimits nicht ausreichend berücksichtigt.
Schließlich enthalten die Vorschläge eine sehr beschränkte Definition
von außerbörslich gehandelten Verträgen ("OTC contracts"),
die für die gleichen Rohstoffgeschäfte eingesetzt werden können.
Damit schaffen die momentan vorliegenden Regeln ein Schlupfloch zur Umgehung
der Positionslimits.
"Die Regeln der EU-Kommission gegen rücksichtslose Nahrungsmittelspekulation
sind leider nur ein Papiertiger. Die Grenzen für Spekulation sind so
großzügig gefasst, dass es weiterhin möglich sein wird, auf
Kosten der Ärmsten Geschäfte zu machen und den Zugang zu Nahrungsmitteln
zu gefährden.
Bis auf wenige Ausnahmen haben Konservative, Rechtskonservative
und Liberale in der heutigen Abstimmung die Kontrollfunktion des Europaparlaments
nicht zu einer notwendigen Korrektur genutzt. Diese Abgeordneten treten damit
die guten Beschlüsse gegen Nahrungsmittelspekulation der überarbeiteten
Finanzmarktrichtlinie in die Tonne und winken die schlechte Umsetzung der Europäischen
Kommission durch. Die Regeln, die sich die Europäische Union gibt, dürfen
nicht auf Kosten von Menschen in Entwicklungsländern gehen. Sonst treiben
wir noch mehr Menschen in die Flucht vor Hunger zu Hause. Konservative und Liberale
befeuern den Europafrust der Bürger, wenn sie unwirksame Regeln gegen Nahrungsmittelspekulation
zulassen gegen den einmalig starken Protest von Kirchen und Entwicklungsorganisationen.
Das
Abstimmungsergebnis schwächt auch die Stellung des Europaparlaments gegenüber
der Kommission. Bereits vor über einem Jahr haben die zuständigen
Abgeordneten der EU-Kommission gemeinsam schriftlich mitgeteilt, dass erhebliche
Nachbesserungen notwendig sind, um Nahrungsmittelspekulation wirksam einzudämmen.
Die Kommission ist dieser Forderungen nicht ausreichend nachgekommen. Rechtskonservative,
Christdemokraten und Liberale haben heute dafür gesorgt, dass diese "Schwerhörigkeit"
der Kommission ohne Folgen bleibt."