Kopftücher - auch als modische Highlights sehr beliebt - Foto: pixabay.com / CC0 Public Domain
Schwedische Politikerinnen tragen bei einem Staatsbesuch im Iran Kopftücher und
helfen so mit, dass Rechte das Thema "Kopftuch" besetzen können. Da sich
Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National bei ihrem
aktuellen Nahost-Besuch weigert, ein Kopftuch zu tragen, wird sie
nämlich nun von den Abendlandrettern als Heldin verehrt. Dank dem
unreflektierten Handeln vermeintlicher Feministinnen, die dem
Kopftuchzwang nicht entschieden genug entgegen treten.
Meine Güte, was geht mir dieses Kopftuch-Thema inzwischen auf den
Senkel. Nicht, dass ich was gegen Kopftücher an sich hätte. Das sind
praktische Kleidungsstücke, wenn der Wind gerade mal wieder übers Land
pfeift. Aber das profane Anti-Wind-Kopftuch ist ja meistens nicht
gemeint, wenn dieser Tage in den Medien von Kopftüchern die Rede ist.
Da ziehen in Europa Musliminnen vor Gericht, weil sie sich in ihrem
Selbstbestimmungsrecht und ihrer Religionsfreiheit verletzt sehen, da
sie das Kopftuch bei bestimmten Gelegenheit nicht tragen dürfen. Wobei
die Justiz in in der Causa Kopftuch ebenso herumeiert wie die Politik.
Dabei ist die Lösung an sich ganz einfach: Jeder kann ein Kopftuch oder
sonstigen Religionsornat jederzeit und überall nach Gusto tragen –
sofern er oder sie nicht gerade den Staat repräsentiert, welcher
religiös neutral zu sein hat.
Durch solche Kopftuchprozesse findet eine Stilisierung muslimischer
Frauen als Opfer der westlichen Kultur statt, welche ihnen angeblich
brutal das Kopftuch vom Haupt reißen will. Dabei gerät leider bei vielen
immer mehr aus dem Blick, dass in den meisten Ländern der Welt, in
denen Frauen regelmäßig Kopftuch tragen, die Kopftuchtragerei nicht das
Geringste mit Selbstbestimmung und Religionsfreiheit zu tun hat.
Das Erschütterndste jedoch ist, dass westliche Politiker und vor
allem Politikerinnen das Unterdrückungsspiel aus falsch verstandenem
Respekt vor Kultur oder Religion mitspielen. Wie jüngst eine
Wirtschaftsdelegation der schwedischen Regierung - die sich selbst
übrigens als "feministische Regierung" bezeichnet, weil das Kabinett zur
Hälfte aus Frauen besteht. Bei einem Besuch in der iranischen
Hauptstadt Teheran sahen Handelsministerin Ann Linde und die anderen
schwedischen Vertreterinnen aus Politik und Wirtschaft offenbar kein
Problem darin, sich zu verschleiern, um zu wirtschaftspolitischen
Verhandlungen zugelassen zu werden. Denn im Iran herrscht seit der
islamischen Revolution 1979 Kopftuchzwang für alle Frauen – auch für
Ausländerinnen und Nicht-Musliminnen. Das Gebot wird streng überwacht
von der Religionspolizei des Landes.
Ein trauriges Bild, das die westliche Politik hier abgibt.
Aber wer
Wirtschaftsverträge abschließen will, der schmeißt halt gern auch mal
ein paar Menschenrechte über Bord. Ist ja nichts Neues. Mehr Mut zu
deutlichen Gesten zeigten in diesen Tagen Schach-Sportlerinnen. Mehrere
internationale Großmeisterinnen weigerten sich bei der aktuell
stattfindenden Schach-WM im Iran anzutreten, weil dort der
Verschleierungszwang für Frauen herrscht. Ihre konsequente Weigerung
hilft Frauen im Iran, die aktiv gegen den Verschleierungszwang und für
Frauenrechte kämpfen. Allen voran die iranische Frauenrechtsaktivistin
Masih Alinejad, die mit ihrer Facebook-Seite My Stealthy Freedom (Meine heimliche Freiheit)
national und international für Aufsehen sorgte, weil sie iranische
Frauen dazu ermutigt, ihr Kopftuch immer häufiger fallen zu lassen. Wie
zum Beispiel die achtzehnjährige iranische Schachspielerin Dorsa
Derakhshani, die es wagte, während eines Schachturniers in Gibraltar im
Januar kein Kopftuch zu tragen und dafür prompt aus dem iranischen
Nationalteam ausgeschlossen wurde.
Dass ausgerechnet westliche Politikerinnen, die sich als
Feministinnen bezeichnen, beim Thema "Kopftuch" gnadenlos versagen – wie
die schwedische Handelsministerin oder auch Grünen-Politikerin Claudia
Roth, die sich vor zwei Jahren auf einer Iran-Reise ebenfalls dem
Kopftuchzwang unterwarf, hat böse Folgen. Denn so konnten sich das Thema
Kopftuch die Rechten unter den Nagel reißen. Gerade in Frankreich ist
das derzeit zu beobachten. Auf ihrer aktuellen Nahost-Reise weigerte
sich Marine Le Pen von der rechtsextremen Partei Front National
bei einem Treffen mit Scheich Deriane, dem Großmufti von Beirut, einen
Schleier zu tragen. Daraufhin wurde das Treffen abgesagt und Marine Le
Pen steht nun als Heldin und Verfechterin der Frauenrechte da. Dabei
geht es bei Aktionen wie diesen eigentlich nicht um Frauenrechte,
sondern vor allem darum, allem, was islamisch ist, möglichst
medienwirksam einen vor den Bug zu ballern – auf dass europäische
Frauenkörper gefälligst von der christlichen Leitkultur zu
Gebärmaschinen deklariert werden können und nicht von islamischen
Mullahs.
Darum: Bitte, liebe Politikerinnen und selbsterklärte Feministinnen
in Europa, hört endlich auf, das Thema Kopftuch den Rechten zu
überlassen!
Ein Land, das Frauen zwingt, ein Kopftuch zu tragen, ist kein Land,
das Frauenrechte respektiert. Kriegt das in euren Schädel! Das Kopftuch
ist – global betrachtet - ein Symbol für die Entrechtung und
Unterdrückung von Frauen. Es hat nichts mit folkloristischen Eigenheiten
zu tun, die man höflicherweise respektieren sollte - vor der
islamischen Revolution im Iran und in anderen, heute streng muslimischen
Ländern konnten Frauen nämlich tragen, was sie wollten.
Also hat es was mit der Religion zu tun? "Na, aber das muss frau doch
erst recht akzeptieren", denkt sich die aufgeschlossene westliche
Politikerin. - Ja, mit Religion hat es schon etwas zu tun, nur nichts
mir Religionsfreiheit. Wäre es so, warum müssen sich dann auch
nicht-muslimische Frauen dort verschleiern? Und warum dürfen sich
muslimische Frauen dort nicht – wie übrigens in Europa – frei dazu
entscheiden, ob sie ihren Glauben mit oder ohne Kopftuch ausleben
wollen? Die Antwort ist einfach: Weil im Iran und anderen muslimischen
Ländern die Religionsfreiheit ebenso mit Füßen getreten wird wie die
Frauenrechte. Wer dort vom muslimischen Glauben abfällt, hat schwerste
Strafen bis hin zur Todesstrafe zu erwarten.
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau und auch die
Religionsfreiheit wurden in Europa hart erkämpft. Bitte, liebe
Politikerinnen, werft diese Errungenschaften bei den nächsten Planungen
für einen Besuch in ein Land mit Kopftuchzwang nicht einfach für die
Aussicht auf einen Handelsvertrag oder aus falsch verstandener
Höflichkeit über Bord.