Immer noch: Heilige Eide

Unter Richtern ist schon seit längerer Zeit das Verlangen wahrnehmbar, die gesetzlichen Vorschriften für die Eidesleistung endlich der heutigen Zeit anzupassen.

Der gültige Gesetzestext vom 3. Mai 1868 für die Eidesleistung lautet:
§ 1. Die Formel der vor Gericht abzulegenden Eide hat ohne Rücksicht auf das Religionsbekenntniß des Schwörenden zu lauten: für Zeugen im Civil- und Strafverfahren: "Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden einen reinen Eid, daß ich über Alles, worüber ich von dem Gerichte befragt worden bin (werde befragt werden), die reine und volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit ausgesagt habe (aussagen werde); so wahr mir Gott helfe!"
Im § 3 dieses Gesetzes steht: "Vor der Eidesablegung hat der Richter den Schwurpflichtigen in einer dessen Bildungsgrade und Fassungskraft angemessenen Weise an die Heiligkeit des Eides vom religiösen Standpuncte, an die Wichtigkeit des Eides für die Rechtsordnung, an die zeitlichen und ewigen Strafen des Meineides zu erinnern und demselben zu bedeuten, daß der Eid im Sinne des Gerichtes, daher ohne allen Vorbehalt und ohne Zweideutigkeit, abzulegen sei."
Es sind zwar einige Ausnahmen vorgesehen, für Protestanten, Juden und Muslime, Religionsfreie finden jedoch keine Erwähnung.

Einen Ungläubigen seinen Eid mit "so wahr mir Gott helfe" bekräftigen zu lassen, widerspricht dabei sogar der christlichen Lehre. Der Vers 16 im 16. Kapitel im Evangelium des Markus lautet: "Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden." Also ist es gemäß des Wort Gottes gar nicht wahr, dass Gott einem Ungläubigem hilft! Ein Atheist kann also mit der gesetzlichen Eidesform nur Meineide leisten!

Und wie muss der Richter die Eidleister vor den "ewigen Strafen" warnen?
Liest er dann den Vers 8 aus dem Kapitel 21 der Offenbarung des Johannes vor? "Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner - ihr Los wird der See von brennendem Schwefel sein. Dies ist der zweite Tod."

Der STANDARD befasste sich am 17.3.2017 in einem Artikel  mit dem Titel "Richter halten religiöse Eidesformeln teilweise für grundrechtswidrig" mit diesem Überbleibsel katholischen Staatsrechtes. Zitiert wird dazu Maria Wittmann-Tiwald, Präsidentin des Handelsgerichts und Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte der Richtervereinigung, sie sieht Handlungsbedarf und weist auch auf die Vereidigung von Schöffen und Geschworenen hin, die auch vor Gott schwören müssen, so wahr ihnen Gott helfe, ebenso auf die Pflicht des Richters, auf "ewige Strafen" bei Meineid hinzuweisen. Dann geht's noch um die "Schwurgarnitur", die bei manchen Gerichten immer noch Verwendung findet:

im 21. Jahrhundert eine gespenstige Erscheinung: zwei Kerzen und ein Kruzifix bilden die "Schwurgarnitur" vor der Eide abgelegt werden sollen...

Wittmann-Tiwald ist überzeugt: "Das ist weder zeitgemäß noch notwendig. In manchen Gesetzen ist vorgesehen, dass auch begründet werden muss, wenn man sich bei der Vereidigung nicht auf Gott beziehen will. Das widerspricht dann sogar der Menschenrechtskonvention." Und Sabine Matejka, Vizepräsidentin der Richtervereinigung meint dazu ganz pragmatisch: "Würde man den Religionsbezug im Eidesgesetz beseitigen, wäre die Schwurgarnitur nicht mehr nötig".

Resümee: Wir leben in einem säkularen Land des 21. Jahrhunderts, es gibt schon seit einigen Jahrhunderten keine Gottesgerichte mehr in unserem Land. Eine Änderung eines 150 Jahre alten Gesetzes aus der Zeit der katholischen Allmacht wäre nicht nur höchste Zeit, sondern ist unvermeidbar. Auch wenn die heilige katholische Kirche und die ebenso heilige ÖVP diesen Tupfer vergangener religiöser Allgegenwärtigkeit nicht hergeben wollen. Und die FPÖ wird bestimmt auch das christliche Abendland verteidigen, so wahr ihr Gott helfe, schließlich hat Gott der FPÖ auch bei der Bundespräsidentenwahl sehr geholfen...