Wieder aktuell: das Turiner Grabtuchmärchen

Der ORF ist ja bekannt dafür, wenn die katholische Kirche was sagt oder tut, dann ist das für den ORF wahres Gotteswort und selbst der größte Blödsinn wird nicht einmal ansatzweise hinterfragt.

Nun wird in Wien ein Duplikat des berühmten "Turiner Grabtuchs" ausgestellt. Die katholische Kirche ordnet zwar nicht an, dass die Welt unabdingbar zu glauben hätte, in das Tuch wäre seinerzeit die Jesusleiche eingewickelt gewesen, aber sie tut so, als wäre das möglich und darum auch wahr.

Und der ORF meldete am 7.6.2017 auf seiner Religionsseite pflichterfüllend:

"Turiner Grabtuch: Spurensuche in Wien - 'Wer ist der Mann auf dem Turiner Grabtuch?' Eine Frage, die Besucherinnen und Besucher dieser Tage durch Räumlichkeiten des Erzbischöflichen Palais in Wien begleitet. Kernstücke der Ausstellung, die sich dem berühmten Grabtuch widmet, sind eine Kopie des Tuches und eine Skulptur, die anhand einer 3-D-Analyse gefertigt wurde. Organisiert wird die Ausstellung vom deutschen Malteserorden.
Die Schau dokumentiert die Erforschung des Tuches und die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse um Wunden und Echtheit, versehen mit biblischen Bezügen. Zu sehen sind auf dem 4,40 langen und 1,13 Meter breiten Tuch Blut, Brandflecken und der Abdruck eines etwa 1,78 Meter großen Mannes, der die Blutgruppe AB hatte und gekreuzigt wurde.
Ob es sich bei dem Mann um Jesus von Nazareth handelt, könne die Wissenschaft allerdings weder belegen noch verneinen. 'Wir wollen keine Antworten geben, wir wollen Menschen dazu anregen, sich selber Gedanken zu machen', so die Kuratorin Bettina v. Trott zu Solz.
Die Spuren des gekreuzigten Mannes würden wie 'Seifenblasen auf den obersten Fasern des Tuches' liegen, so die Kuratorin. Ob es sich tatsächlich um das Grabtuch von Jesus handle, könne man nicht mit Sicherheit sagen.
'Aber wir haben keinen Fall, wo ein Mann mit einer Dornenhaube gekreuzigt wurde. Das war der Spott, den man nur Jesus hat angedeihen lassen', gibt sie zu bedenken. Auf dem Tuch könne man deutlich die Blutspuren am Kopf erkennen. Persönlich halte sie es für 'sehr wahrscheinlich', dass das Tuch echt ist. Aber dies sei für ihren Glauben nicht wichtig (..).
Begonnen hat die Erforschung des Tuches 1898 mit einer Fotografie, die anders als andere Bilder in der Negativansicht nicht nur Schemen zeigte, sondern ein realistisches und lebendiges Abbild eines Mannes. Die ertragreichsten Erkenntnisse stammen aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. (..)"

Soweit die katholische ORF-Botschaft - nun die Tatsachen:

Die Religionsredaktion des ORF hätte dazu bloß googeln müssen, z.B. in Wikipedia. Da heißt's gleich einleitend, "von der katholischen Kirche wird das Tuch nicht als Reliquie, sondern als Ikone eingestuft", also nicht als echte Hinterlassenschaft des Jesus, sondern als Bild. Und weiter weiß Wiki: "Dessen ungeachtet verehren einige Gläubige das Tuch als Reliquie im Sinne eines echten Leichentuches Christi." Der ORF-Text tendiert allerdings in Richtung Reliquie!
Dann ist in Wikipedia zu lesen, dass die vom ORF erwähnten "ertragreichsten Erkenntnisse aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts" zur Erkenntnis gekommen sind, dass das Tuch aus dem 14. Jahrhundert stammt, die erste Erwähnung des Tuches stammt aus dem Jahre 1353, die Analyse mit der Radio-Karbon-Methode weist auf eine Entstehungszeit zwischen 1260 und 1390 hin, was zum ersten Auftritt des Tuches passt!
Zur Entstehung der Abbildung zählt Wikipedia alle von allen Seiten erwähnten Varianten auf - von wissenschaftlichen, wie die mikroskopisch aufgefundenen Ockerfarbpigmente bis zur allerdümmsten Variante, einem "Lichtblitz bei der Auferstehung", siehe dazu auf dieser Homepage, "Voltwunder ums Turiner Grabtuch". Die Blutflecke wurden bei den Untersuchungen als Zinnober-Farbflecke enttarnt, die Behauptung der Entdeckung von Blutflecken mit AB-Blutgruppe stammt aus dem katholischen Bereich und wird von der Wissenschaft nicht akzeptiert.

Nicht erwähnt wurde in Wikipedia bisher allerdings der Nachbau des Tuches durch den italienischen Chemiker Luigi Garlaschelli im Jahre 2009, der SPIEGEL berichtete am 6.10.2009 und schilderte das Vorgehen von Garlaschelli: "Der Forscher benutzte einen Leinenstoff, der mit mittelalterlichen Methoden hergestellt worden war. Durch einfaches Waschen und Kochen mit Wasser ließ er ihn künstlich altern. Anschließend legte er das Tuch über einen seiner Studenten, der sich dafür freiwillig zur Verfügung gestellt hatte. Mit einer säurehaltigen, rötlichen Pigmentpaste, die ebenfalls schon im Mittelalter bekannt war, rieb er die Umrisse des Studenten ab und ließ das Pigment rund eine halbe Stunde einziehen. Zurück blieb das Abbild des Studenten auf dem Tuch. Anschließend versetzte er es noch mit Blutspuren, Brandlöchern und Wasserflecken. Die Bilder zeigen eine erstaunliche Ähnlichkeit zum echten Grabtuch." (Seit 8.6.2017 steht dieses Zitat dank meinereiner jetzt auch auf Wikipedia zu lesen!)

Hier die Abbildung beider Tücher, links die Fälschung aus dem 14. Jahrhundert, rechts der geschilderte Nachbau von 2009 mit dem Abbild des mit Pigmentpaste eingeriebenen Studenten:

Aber den ORF interessiert so etwas nicht, weil katholische Phantastereien sind unhinterfragbar!