BRD: Gründung des Verbandes Liberaler Muslime

Aussendung von Dr. Thomas Tartsch, 14.6.2017

Nach aktueller Planung wird am 16.06.2017 in Deutschland der Verband Liberaler Muslime gegründet, der in Zukunft als Ansprechpartner für Politik, Gesellschaft, Kirchen und Medien dienen soll.

Grundlegende inhaltliche Prinzipien des Verbandes und der dort vertretenen Islamauslegung finden sich in der Freiburger Deklaration säkularer Muslime aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus 2016.

Ausdruck der vertretenen liberalen und reformistischen Haltung ist die gerade eröffnete Ibn-Rushd-Goethe Moschee in Berlin, die von Seyran Ateş initiiert wurde. Diese ist für alle islamischen Ausprägungen geöffnet und bietet das gemischte Gebet von Frauen und Männern. Ebenso soll das Gebet auch von einer weiblichen Imamin geleitet werden, wobei man eine Imamin von einer Mourchida unterscheiden muss, da letztere eine Muslima bezeichnet, die die meisten Aufgaben eines Imams wahrnimmt, aber kein Gebet leiten darf. In Ländern wie Marokko setzt man die Mourchidate (Pl. von Mourchida) im Kampf gegen den Salafi Dschihadismus ein, da deren Einfluss auch die Frauen erreicht, die vom gesellschaftlichen und religiösen Leben weitgehend ausgeschlossen sind, um eine Dschihadisierung der Kinder und Jugendlichen zu verhindern.

Siehe dazu: "Seyran Ates eröffnet in Berlin eine liberale Moscheegemeinde -
und auch den Bericht in der Beliner Morgenpost: "Ohne Burkas: In Moabit eröffnet die erste liberale Moschee".

Diese liberale Moscheegemeinde beinhaltet ein deutliches Zeichen gegen ein, auch in Europa verbreitetes, archaisches, patriarchalisches, desintegrativ wirkendes, gewaltaffines und geschlechterdiskriminierendes Islamverständnis, welches etwa von den vier sunnitischen Rechtsschulen bezüglich der Frage einer Imamin vertreten wird, da angeblich die von ihr geleiteten Gebete für Männer ungültig wären, wobei insgesamt eine strikte Geschlechtertrennung während Salah (Pflichtgebet im Zustand ritueller Reinheit, welches zur Ibadat (Ritenpraxis) der Arkän al-Islam al-Chamsa (5 Pfeiler des Islam) gehört) einzuhalten ist, damit der Mann nicht von den Reizen der Frau abgelenkt wird. Und vice versa. Daher beten die Geschlechter in den Moscheen getrennt. Oder Frauen hinter den Männern. Oder die Frauen im häuslichen Bereich, siehe dazu askimam.org und dawah24.de! Dieses Islamverständnis bezüglich der Geschlechtertrennung beim Salah wird auch vom Zentralrat der Muslime in Deutschland  e.V. (ZMD) vertreten!

Das widerspricht dem klassischen Islam der Frühzeit im 7. Jahrhundert, als weibliche Gelehrte wie Umm al-Darda in Damaskus und Jerusalem während des Umayyaden Chalifates im 7. Jahrhundert männliche Gelehrte unterrichtete. Und auch Salah zusammen mit diesen ausübte, siehe Islamictext-Institut und Islamicfeminism.org!

Insoweit heute Islamverständnis, Islamauslegung und -auslebung in der islamischen Welt oftmals konservativer und illiberaler sind, als in der Frühzeit des Islam. Solch ein Islamverständnis hat in Europa im 21. Jahrhundert keinen Platz, wo sich vermehrt ein Islamverständnis als Ergebnis eines inneren historischen Prozesses entwickelt, welches mit den Prinzipien des freiheitlichen, säkularisierten Staates kompatibel ist, wo jede Religion in einer Minderheitenposition zu verbleiben hat.

Die Existenz dieses Islamverständnisses zeigen seit Jahren auch die Initiative Liberaler Muslime in Österreich (ILMÖ) und Dr. Amer Albayati. Derzeit befindet er sich wegen erneuter Morddrohungen im Umzug an einen geheimen Ort, da gerade liberale und säkulare Muslime, die zu den schärftsten Kritikern innerislamischer Fehlentwicklungen in Europa gehören, vermehrt ins Zielspektrum radikaler und dschihadistischer Muslime geraten.

Wovon Dr. Albayati sich aber nicht abhalten lässt, weiter für das friedliche Miteinander von Nichtmuslimen und Muslimen zu kämpfen:
' [...] Ich werde als Sicherheitsmaßnahme in andere Wohnung übersiedeln. Die Behörden wollten nochmals die Wega 24 Stunden vor meine Tür postieren und wie damals schon 7 Monate lang sollte mich außerhalb die Cobra begleiten, aber ich habe abgelehnt und nur akzeptiert, dass sich Polizeistreifen ein paar Mal zeigen und bei mir persönlich melden, ob ich noch lebe. Die Behörden haben alles getan und ich habe von meinen Computern ihnen Infos und Namen von meine Bedrohung und Hassposting gegeben... Als friedlichen unparteiischen Aktivisten versucht man mich zu stoppen, aber ich werde im Sinne Österreichs weiter nur die Wahrheit sagen, 'koste es was es wolle'!
Ich werde auch weiterhin immer die Wahrheit sagen und man kann sich auf mich verlassen, deshalb müssen wir aktiv friedlich bleiben, es gibt keine andere Alternative für uns als weiter öffentlich aufzutreten...
Ich werde trotz alledem bis zu meinem letzten Atemzug die Wahrheit sagen.'
(Siehe dazu "Hat Europa den Terror gezüchtet!?")

Man kann nur hoffen, liberale und säkulare Muslime erhalten endlich das notwendige politische, mediale und gesellschaftliche Gehör, um weitere Reformbewegungen zu entfachen, anstatt primär den organisierten Islam und Islamisten zu hofieren, die sich als angebliche 'Mittler zwischen den Religionen' generieren.

Dabei aber eigene politisch-gesellschaftliche Ziele verfolgen, die teilweise auch auf die Überwindung der hier geltenden Trennung von religiöser und politischer Sphäre gerichtet sind, um langfristig eine schariatisch begründete Nomokratie zu etablieren, da Islam angeblich nur dann Religion sein kann, wenn er in einem islamischen Staatswesen, wie das Chalifat, ausgelebt werden kann. Dabei gebietet schon der Koran keine bestimmte Staatsform wie das Chalifat, welches erst nach dem Tod des Religionsstifters Muhammad aus den historischen Gegebenheiten entstand, weil die Frage der Nachfolgeschaft geregelt werden musste. Und der Koran keine Auskunft darüber gibt, wie diese zu regeln war, weil er kurz vor dem Tod Muhammads endet. Man sollte daher aufhören, alles mögliche aus dem Koran herauszulesen, was dort gar nicht enthalten ist.

Wie etwa der Begriff Dschihad als 'Der Heilige Krieg' (al-Harb al-Muqadassah), den der Koran nicht kennt, da er anstatt Dschihad (Bemühung/Anstrengung) Wörter wie Harb (Krieg) und Qital (Kampf) nutzt, wenn gewaltsame Themen angesprochen werden, die vor dem Hintergrund der jeweiligen Umstände, während der Entstehung der muslimischen Gemeinde in Yathrib (Medina), als historisch gebundene Ereignisse ohne übergeschichtliche Wirkmächtigkeit zu verstehen sind, von denen der Koran, aus der Perspektive eines historischen Dokumentes, Zeugnis ablegt.

Zur Möglichkeit der Kompatibilität von Islam und demokratischer Staatsform verfasste 1925 der ägyptische Islamgelehrte und Schariahrichter Shaykh Alī ʿAbd ar-Rāziq, der als geisitger Vater des islamischen Säkularismus eingeordnet werden kann, sein Werk al-Islām wa-Usūl al-Hukm: Baht fī l-Hilāfa wa-l-Hukūma fī l-Islām ('Der Islam und die Grundlagen des Regierens: Studie über das Kalifat und Regieren im Islam'). Als Endergebnis wurde er aus dem Richteramt entlassen und in die private Sphäre verbannt, da Reformer in der islamischen Welt bis heute gefährlich leben, wie dem ZEIT-Artikel "Mit dem Koran in die Moderne" zu entnehmen ist!

Wie das Beispiel von Dr. Albayati zeigt, existieren solche Verhältnisse schon längst in Europa. Diesen muss man entschieden entgegentreten, da ansonsten die liberalen, säkularen und reformorientierten Muslime aus Angst verstummen, weil diese von der Politik und der Zivilgesellschaft im Stich gelassen werden.

Eine Folge davon wird die weiterhin ungehemmte Verbreitung des extrem literalistischen, extrem puristischen und gewaltaffinen Islamverständnisses sein, welches von den üblichen Verdächtigen Saudi-Arabien, Kuwait und Katar mittels globaler Da'wah Aktivitäten (Da'wah = Einladung zum Islam als Missionierung) nach Europa importiert wird, obwohl dieses Islamverständnis, welches in Moscheen und Bildungseinrichtungen vermittelt wird, oftmals die Funktion eines Durchlauferhitzers in die Spektren des radikalen Da'wah Salafismus und militanten Salafi Dschihadismus übernimmt, siewhe dazu Artikel in der Süddeutschen und im Bayernkurier!

Was seit Jahrzehnten auch für legalistisch agierende Islamisten wie die europäischen Muslimbrüder und einflussreiche Gelehrte wie Yusuf al-Qaradawi gilt, die im Rahmen von Da'wah und mit juristischen Instrumenten wie den Fiqh al-Aqalliiyaat (Recht der Muslime in der Minderheitsposition in einem nichtmuslimischen Land) eine 'Islamische Transformation Europas durch Implantierung schariahtischkonformer Normen' betreiben, siehe "Dawa and the Islamist Revival in the West"

Christine Schirrmacher: "[...] Das Ziel eines derartigen Minderheitsrechts ist also nicht die Integration der muslimischen Migranten in die europäischen Gesellschaften und eine volle Akzeptanz der dortigen Ordnung oder des Rechtssystems; vielmehr verpflichtet es in umgekehrten Sinne Muslime, die als Minderheit in europäischen Gesellschaften leben, dazu, in Europa die dauerhaft Anderen zu sein und soweit wie möglich nach schariarechtlichen Vorgaben zu leben. Auf solche, in der islamischen Gemeinschaft sehr einflussreiche Führungsfiguren, ist es u. a. zurückzuführen, dass sich auch in der dritten Generation von Muslimen in Deutschland ein Teil in einer dauerhaften Distanz zur deutschen Gesellschaft – und damit auch zum deutschen Rechtssystem – verharrt."

Inzwischen wird al-Qaradawi im Zusammenhang mit Katar auch auf der 'Blacklist' bez. des Vorwurfs des Sponsorings terroristischer Kräfte geführt, siehe Aljazeera!

Somit sind zwei Dinge derzeit auf politisch-gesellschaftlicher Ebene notwendiger als je zuvor:

1. Solidarität, Unterstützung und Schutz für liberale, säkulare und reformorientierte Muslime, damit sich ein mit dem freiheitlichen, säkularisierten Staat kompatibles Islamverständnis in den muslimischen Communities als Ergebnis eines innerislamischen Prozesses in Europa implantieren kann, wobei es unerheblich ist, was Muslime in der islamischen Welt dazu sagen, da Islam am Ende eben das ist, was Muslime daraus machen.
Außer, man folgt der Denkrichtung des Essentialismus, indem man die soziale Kategorie Muslim (per Definiton) mit der islamischen Religion überformt, um daraus angeblich das gesamte Denken und Handeln von Muslimen als homogene Masse vorhersagen zu können, da Muslime und Religion eine unauflösbare Einheit bilden.
Womit diese verpflichtet sind, die gesamte Welt mittels Da'wah und gewaltsamen Dschihad zu unterwerfen, weil dies der Koran befehlen würde.

2. Verbot der Finanzierung von Moscheen und Bildungseinrichtungen aus der islamischen Welt als Da'wah in Deutschland und Österreich, durch die der Nährboden für Radikalismus und gewaltsamen Dschihadismus herangezüchtet wurde und wird.

3. Lässt man dagegen alles so weiterlaufen wie bisher, werden die Auflösung des gesellschaftlichen Verbundsystems entlang ethnisch-religiöser Bruchlinien und ansteigende terroristische Gefährdung durch den Salafi Dschihadismus, die die staatliche Autorität als Inhaber des Gewaltmonopels durch Entkoppelung von obejktiv gegebener Gefährdungslage und subjektiv empfundenes Sicherheitsgefühl beständig erodiert, die Folgen sein.

Dr. Thomas Tartsch - www.thomastartsch.org