Feiertage nur für zahlende Kirchenmitglieder?

Am Fronleichnamstag (15.6.2017) erschien in der Kronenzeitung dieser Leserbrief:



Flocke ist ein eifriger christlicher Kronenzeitungsleserbriefschreiber. Seine obige Argumentation ist schon dadurch recht unterhaltsam, dass er so schreibt als würden nur "bekennende Christen" Kirchensteuer zahlen (müssen). Derweilen hat die katholische Kirche immer noch über fünf Millionen Mitglieder, das sind keineswegs nur wenige zahlende Staatsbürger. Die bekennenden Katholiken werden allerdings von Jahr zu Jahr weniger, seit 2003 ist der kirchlich gezählte Besuch der Sonntagsmesse um rund ein Drittel gesunken, aber ausgetreten sind nur um die zehn Prozent, also zahlen tut weiterhin die große Menge der nicht mehr als bekennend auftretenden Kirchenmitglieder!

Herr Flocke hätte nun gerne die christlichen arbeitsfreien Feiertage nur noch für zahlende Kirchenmitglieder, die anderen Leute würde er arbeiten schicken! Dummerweise gibt's da allerdings ein Problem mit der Verfassung, weil dort steht im Artikel 14: "Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, in sofern er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines anderen untersteht."

Zu den bürgerlichen und politischen Rechten zählt zweifelsfrei das Recht an einem staatlich als Feiertag deklarierten Tag frei zu haben! Es gibt zurzeit in Österreich diesbezüglich noch eine Ausnahme, die noch nicht ausjudiziert ist. Seit dem Protestantengesetz von 1961 wurde nämlich Mitgliedern der Evangelischen Kirchen der Karfreitag als Feiertag zugewiesen, für alle anderen Personen gilt das nicht!

Im Feiertagsruhegesetz steht im § 7, Absatz 2:
"Feiertage im Sinne dieses Bundesgesetzes sind: 1. Jänner (Neujahr), 6. Jänner (Heilige Drei Könige), Ostermontag, 1. Mai (Staatsfeiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August (Maria Himmelfahrt), 26. Oktober (Nationalfeiertag), 1. November (Allerheiligen), 8. Dezember (Maria Empfängnis), 25. Dezember (Weihnachten), 26. Dezember (Stephanstag)." Und im Absatz 3: "Für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ist auch der Karfreitag ein Feiertag."

Das Feiertagsrecht gilt offenbar nicht unabhängig vom Religionsbekenntnis! Ein religionsfreier Österreicher hatte nun Feiertagsüberstundengeld für seine Arbeit am Karfreitag 2015 eingeklagt und bekam in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht Wien gemäß der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie, wonach keine Person wegen der Religion oder Weltanschauung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren darf, im März 2017 recht. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, es ging im April am Obersten Gerichtshof weiter!

Dort lagerte man den Fall aus: Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wurde um Klarstellung ersucht, ob die Sonderstellung der Angehörigen der evangelischen Kirche, für die der Karfreitag ein Feiertag ist, eine Diskriminierung der übrigen Arbeitnehmer aus Gründen der Religion darstellt. Bis zum Karfreitag 2018 wird diese Entscheidung wohl vorliegen.

Da die Wirtschaft vehement gegen einen neuen Feiertag für alle ist, wäre die einfachste und zweifelsfrei praktischste Lösung wohl, den 8. Dezember ("Maria Empfängnis") als Feiertag zu streichen und dafür den Karfreitag für alle als Feiertag einzurichten. Da hätte sogar die Wirtschaft ihre Freude daran, weil am 8.12. dürfen seit einigen Jahren die Geschäfte offen halten, müssen aber Feiertagsüberstunden zahlen.

Beim Feiertag "Maria Empfängnis" geht's religiös um die Zeugung der christlichen Gottesmutter Maria ohne Erbsünde (nach einem päpstlichen Dogma aus dem 19. Jht). Dieser Tag ist nur in Österreich, Liechtenstein, den katholischen Kantonen der Schweiz, in Italien, Spanien, Portugal, Malta und Argentinien ein gesetzlicher Feiertag. (In der Schweiz und in Deutschland ist das Feiertagsrecht übrigens Kanton- bzw. Länderrecht, in der BRD ist der Karfreitag überall ein Feiertag, aber der 6. Jänner, der 15. August und der 1. November sind es nicht.)

Und ein weiteres Argument dazu: Es muss keineswegs so eine große Zahl von religiösen Feiertagen geben, da diverse christliche Feiertage ohnehin für die Masse der Menschen längst keine Bedeutung mehr haben. Man könnte sie durch säkulare Feiertage ersetzen, etwa den 12. Februar als Tag des Aufstandes gegen den Klerikalfaschismus (1934), den 27. April als Tag der Ausrufung der 2. Republik (1945), den 12. November als Tag des Beschlusses über die Republikgründung (1918), den 10. Dezember als Tag der Menschenrechte, den 21. Dezember als Tag des Staatsgrundgesetzes von 1867.

Aber das allereinfachste wäre es, die traditionellen Feiertage lassen: den ersten Jänner, Ostern, das war schon bei den alten Kelten als Frühlingsfest im Gebrauch, Weihnachten als Zeitenwendefest, die Tage werden wieder länger und das hat man schon in der Stonehenge-Zeit gefeiert! Die Anlage dort diente auch als Kalender für den Jahreszeitenwechsel, hier ein Screenshot von www.wissen.de - zu sehen ist die Sonne zur Wintersonnenwende 2015:

An diesem Tag schon vor 3000 Jahren ein Fest zu feiern, bedurfte nicht des Christentums!

Darum also den 1. Jänner, den 1. Mai, den 26. Oktober und die beiden o.a. Jahreszeitenfeste und auch noch das auch alttraditionelle Totengedenkfest (1.11.) als Feiertage belassen und für die anderen Feiertage eine Woche mehr Urlaub einführen.
Weil da hat dann jeder was davon, praktizierende Protestanten nehmen sich dann am Karfreitag und am Buß- und Bettag im November Urlaub und praktizierende Katholiken zu Christi Himmelfahrt und Fronleichnam usw. Und alle anderen Religionen mit anderen Feiertagszeiten könnten ihre Feiertage auch individuell per Urlaub abwickeln! Und die Masse der Bevölkerung hätte eben ein paar Feiertage weniger, aber zur beliebigen Verwendung eine Urlaubswoche mehr!