(Bild:
Screenshot von der PDF "Nestbeschmutzer"
in Regensburg vom Juni 2015)
Endlich
hat er eingegriffen. Italienische Medien haben es unisono berichtet,
und der Vatikan hat die Meldungen bestätigt: Papst Franziskus hat sich
von einem Kardinal befreit, der ihm seit langem auf die Nerven gegangen
ist, wie ich aus Rom höre. Im Ernst: Der Anstellungsvertrag mit dem
Amtschef der Glaubenskongregation, dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig
Müller, lief gestern (2. Juli 2017) ab und wird nicht mehr verlängert.
Müller, bisher einflussreichster Amtsträger, sitzt vor der Tür. Eine
Blamage sondergleichen.
Nach menschlichem Ermessen ist Müllers Karriere damit zu Ende.
Wahrscheinlich wird er in irgendeine Ecke abgeschoben. Franziskus hat
ihm den Kardinalspurpur belassen, und ein Kardinal, vor allem ein unter
vatikanischem Zeitmaß so junger wie der noch nicht einmal 70jährige
Müller, muß beschäftigt werden. Ende der Karriere? Müller kann abwarten,
vielleicht hat der junge Mann eine Chance bei einem künftigen Konklave.
Fürs Erste ist er weg vom Fenster.
Recht so. Es ging einfach nicht mehr. Müller hatte sich von
Franziskus distanziert und dem Papst, ein sehr seltener Vorgang,
öffentlich widersprochen und dessen Verhalten wie Lehre gerügt.
Müller war nichts anderes als ein Nepot des Herrn Ratzinger. Und
Ratzinger hat gewusst, warum er diesen Mann gefördert hat: Müller hatte
schon früh alles getan, um Ratzingers "Gesammelte Werke" und päpstliche
Gesten zu preisen, wahrhaftig eine mühselige Tätigkeit, denn Benedikt
XVI., schwächster Papst seit Jahrzehnten, hat bekanntlich so gut wie
nichts erreicht.
Ein "bornierter Scharfmacher" (Hans Küng) hatte es schließlich
geschafft. Seit Jahren schon hatte Müller, ein recht unrühmlicher (Anm.
atheisten-info: siehe den Link oben!)
Bischof von Regensburg, jede Gelegenheit genutzt, sich bei seinem
Landsmann Ratzinger einzuschleimen. Müller lobte Benedikt XVI., bei dem
es nun wirklich nicht viel zu loben gab, so oft sich die Chance bot, er
pries dessen theologische Qualitäten, sorgte sich um die Herausgabe von
Ratzingers "Gesammelten Werken", richtete einen eigenen
Forschungslehrstuhl ein, um dem Geheimnis des Ratzingerschen Denkens auf
den Grund zu kommen. Nun ja, so sorgt man (mit dem Geld Anderer) für
die Zukunft einer Theologie, die von sich aus keine Kraft zum Überleben
hat.
Die anhängliche Affinität scheint freilich die Wahrnehmung des
Nepoten Müller erheblich beeinträchtigt zu haben. Kein Ruhmesblatt für
den Träger eines so wichtigen vatikanischen Amtes, kein Beleg für
Kompetenz. Ein Beispiel: Müller hat allen Ernstes in Deutschland eine
"Pogromstimmung" gegenüber dem Katholizismus ausgemacht. Eine
geschmacklose Wortwahl, eine Verantwortungslosigkeit gegenüber der
deutschen Vergangenheit und Gegenwart, eine Verdrängung jeder Erinnerung
an die realen Pogrome, die Müllers Kirche zu verantworten hat. Was hatte diesen Oberhirten wohl zu seinem verantwortungslosen
Geschwätz getrieben? Ich nehme an, er wollte Geschichtsklitterungen in
die richtigen Bahnen lenken: "Christenverfolgung" als neuestes
Stichwort.'
Aufgeklärtes Denken hat aber keine Pogrome nötig. Hat etwa Nietzsche
den Staatsanwalt bemüht, steht Kant für Scheiterhaufen, Lessing für die
Verfolgung Andersdenkender? Nein, derlei hat allein – eine historische
Tatsache – das klerikale Lager zu verantworten!
Freilich: Privilegien machen immobil und arrogant. Wer ein Leben lang
auf seinen "geistlichen" Beruf hingehätschelt worden ist, macht sich
als Geisterfahrer gut, als ein Meister der wundergleichen Täuschungen,
der allein auf der richtigen Spur zu fahren glaubt. Doch den Zugang zur
Realität hat er längst verloren. Müller pfiff im Wald. Unter dem
Vorwand, den intaktesten Glauben zu vermitteln, baute dieser Kardinal
Dämme, ein Biberchen seltsamer Art, das ringsum die Bäume des freien
Denkens und Argumentierens fällte, um den eigenen Dammbau zu
stabilisieren.
"Polarisierung" hieß das, was Müller verstand: Seitenhiebe auf alles,
was seiner Karriere im Weg stand. Kein Wunder, dass sich die
Betroffenen - von den Piusbrüdern bis hin zu "Wir sind Kirche" –
ausnahmsweise einmal einig waren über diesen Mann, der an die Spitze
seiner Überlegungen meist Machterhalt und Machtgewinn gesetzt hat. Dafür
nahm er in Kauf, dass der öffentliche Religionsfriede gestört und
Andersdenkenden noch nicht einmal ihre Menschenwürde gelassen wurde.
Ein Beispiel: "Der Gottesglaube führt zusammen und baut auf, der
Atheismus dagegen trennt die Menschen und führt in den Abgrund." Und:
"Wie die atheistischen Ideologien im 20. Jahrhundert, Kommunismus und
Nationalsozialismus, zeigten, führt die Leugnung Gottes zu Hass,
Unfrieden, Streit und Zerstörung." Und: "Ohne den christlichen Glauben
an Gott den Schöpfer, Erlöser und Versöhner der Menschen gibt es kein
neues Europa." Und weiter: "Sonst gelangen wir wieder dorthin, wohin uns
die atheistischen Diktaturen das vergangenen Jahrhunderts geführt
haben."
Diese Aussagen sind nicht nur schamlos, sie sind historisch und
aktuell fragwürdig. Unter anderem mutet die Behauptung, Gottesglaube
verbinde, angesichts der enormen Zahl religiöser Kriege und Konflikte in
Vergangenheit und Gegenwart geradezu grotesk an. Erst recht ärgerlich
ist die verkürzende Darstellung von Nationalsozialismus und Kommunismus
als atheistische Ideologien. Nebenbei: Wer hat Hitler gewählt und
gestützt? Die relativ wenigen Atheisten in Deutschland oder Millionen
Kirchengläubige? Versuchte Müller, die im Namen des Nationalsozialismus
und Sowjetkommunismus begangenen Verbrechen dem Atheismus anzulasten, um
hieraus die grundsätzliche Gefährlichkeit atheistischer
Weltanschauungen abzuleiten, der er den angeblich Frieden stiftenden
Charakter des Glaubens entgegenhält, ist dies eine Geschichtslüge.
(Anm. atheisten-info: siehe zum angeblichen NS-"Atheismus" die PDF
"Gottgläubig"!)
Papst Franziskus hat zu Recht die Reißleine gezogen. Ob damit alle
Müllers im Vatikan gezügelt sind, ist eine andere Frage. Das Problem
bleibt.