Die Partei, die seinerzeit die DDR regierte und "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) hieß, firmiert jetzt in der BRD unter "Die Linke". Und was genau links ist, darüber wird dort wieder einmal debattiert.
Im Wahlprogramm 2017 stand zu lesen: "DIE LINKE steht an der Seite aller, die für Bewegungsfreiheit, Grundrechte und soziale Gerechtigkeit für alle einstehen. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Wir wollen die solidarische Einwanderungsgesellschaft gestalten. Wir setzen dabei auf ein inklusives »Wir, die hier leben«. Das ist vielfach bereits gelebte Praxis in Kommunen, in der Arbeit und der Freizeit, in Gewerkschaften genauso wie in Sportvereinen und zivilgesellschaftlichen Initiativen. All jene, die diese Praxis bereits in ihrem Alltag leben oder darum kämpfen, werden wir unterstützen. Wie viel Offenheit und Engagement in unserer Gesellschaft vorhanden ist, zeigen die vielen, die in der Flüchtlingssolidarität aktiv sind. DIE LINKE steht für offene Grenzen für alle Menschen in einem solidarischen Europa, das sich nicht abschottet. Wir streiten für sichere Fluchtwege und eine Gesellschaft, die Menschenrechte verwirklicht - statt Mauern zu bauen und Grundrechte der aktuellen Haushalts- und Stimmungslage anzupassen. Im Gegensatz zu allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien haben wir jede Einschränkung des Asylrechts abgelehnt. Wir wollen das Grundrecht auf Asyl wiederherstellen. Menschenrechte kennen keine Obergrenze"
"Mein Aufschlag zur linken Flüchtlingspolitik: Es geht nicht darum,
Positionen über Bord zu werfen, sondern um ein realitätstaugliches
Konzept. Und es geht darum, sensibler mit den Ängsten von Menschen umzugehen,
statt sie als 'rassistisch' zu diffamieren und damit Wähler regelrecht
zu vertreiben. Dass Angela Merkels Integrationspolitik zu Lasten der weniger
Wohlhabenden geht, sollte unstrittig sein. Die Konkurrenz um Sozialwohnungen
und um Jobs, gerade im Niedriglohnbereich, verschärft sich, Schulen in
ärmeren Wohnvierteln werden noch mehr überfordert. Wir müssen
zur Kenntnis nehmen, dass der Begriff der Weltoffenheit für einen ehemaligen
Erasmus-Studenten, dem aufgrund hoher Qualifikation und fundierter Sprachkenntnisse
ein globaler Arbeitsmarkt offen steht, einen ganz anderen Klang hat als für
einen Arbeitslosen, der seinen Job vielleicht gerade durch eine Betriebsverlagerung
in einen Billiglohnstandort verloren hat. Oder für einen im Niedriglohnsektor
Beschäftigten, der jetzt noch mehr Konkurrenz und damit Druck auf sein
Einkommen erlebt. Statt mit der Forderung 'Offene Grenzen für alle' Ängste
gerade bei denen zu befördern, die seit Jahren vom Abbau des Sozialstaates
und zunehmender Lebensunsicherheit betroffen sind, sollten wir uns darauf konzentrieren,
das Asylrecht zu verteidigen. Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, das nicht
immer weiter ausgehöhlt werden darf. Aber es bedeutet nicht, dass jeder,
der möchte, nach Deutschland kommen und hier bleiben kann. Deshalb muss
unser Schwerpunkt auf der Hilfe vor Ort und der Bekämpfung von Fluchtursachen
liegen, wie unfaire Freihandelsabkommen, Interventionskriege und Waffenexporte."
Soviel
Realismus war der Parteivorsitzenden Katja Kipping zuviel. Sie meinte in
einem WELT-Interview über einen Brief an die Parteiführung von Sahra
Wagenknecht zu diesem Thema: "Ich habe ihn als eine unangemessene Grenzüberschreitung
empfunden." Und konkret sagte sie: "Ich unterstütze den Vorschlag
aus unseren Reihen für ein Einwanderungsgesetz, der aufzeigt, wie man 'offene
Grenzen für alle' perspektivisch erreichen kann. Zuerst müssen das
Grundrecht auf Asyl und der Familiennachzug wieder ausgebaut werden. Ebenso
brauchen wir eine Altfallregelung für alle, die schon länger hier
sind und immer noch von Abschiebung bedroht sind. Zudem muss es eine Möglichkeit
für Einwanderung geben, die nicht nur nach dem Prinzip der Nützlichkeit
abläuft."
Die seit 2012 gemeinsam mit Bernd Riexinger als
Parteivorsitzende fungierende Kipping arbeitet offenbar an der Schrumpfung ihrer
Partei, offene Grenzen für alle, aber Kritik daran ist eine zu unterbindende
Grenzüberschreitung. In der LINKEN gibt's offenbar noch ein Vergangenheitsbewältigungssyndrom:
die SED war die Partei der geschlossenen DDR-Grenzen gewesen, die LINKE als
Enkel-Partei der SED muss darum in umgekehrter Richtung für offene Grenzen
sein. Wenn man das zu einem Parteischwerpunkt macht, sind auch die Parteigrenzen
in beiden Richtungen offen: zum Gutmenscheneintritt und zur Flucht der Nichtwillkommenskulturellen,
die zweite Richtung würde aber wohl die deutlich stärkere sein...