Mit dem Polbud-Urteil hat sich der EuGH wieder einmal als Speerspitze des Neoliberalismus erwiesen. Das EuGH-Urteil ermöglicht Konzernen "Regime-Shopping", um die Mitbestimmung von ArbeitnehmerInnen auszuhebeln.
Schon bisher hat der EuGH die Niederlassungsfreiheit extensiv ausgelegt und
damit etwa die Errichtung eines neuen Unternehmens als "Limited" (nach
britischem Recht) ermöglicht, die etwa die in Österreich vorgeschriebene
Drittelparität oder die in der BRD vorgeschriebene paritätische Mitbestimmung
von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nicht kennt. Mit dem im Oktober 2017
erlassenen Polbud-Urteil geht der EuGH darüber hinaus. Bei Polbud geht
es nämlich um den nachträglichen, ausschließlichen Rechtsformenwechsel.
Dieser unterliegt ebenfalls, so der EuGH in seinem Urteil, dem Schutz des EU-Rechts
und darf durch nationale Regelungen nicht "weniger attraktiv" gemacht
werden. Was "attraktiv" ist, wird freilich ausschließlich aus
dem Blickwinkel der Kapitalseite betrachtet. D.h. ein Unternehmen kann einen
Rechtsformenwechsel durchführen, ohne den Verwaltungssitz oder eine wie
auch immer geartete Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten ins Zielland
zu verlegen. Es muss schlicht überhaupt keine realwirtschaftliche Betätigung
dort erfolgen.
Der EuGH ermöglicht damit reines "Regime Hopping":
Die Konzerne können nach Belieben jene Rechtsform wählen, die ihnen
am "attraktivsten" erscheint, z.B. um die Arbeitnehmermitbestimmung
zu eliminieren.
Freilich ist nicht sofort damit zu rechnen, dass Unternehmen reihenweise von dieser Möglichkeit, sich eine Rechtsform á la carte auszusuchen, Gebrauch machen werden. Was aber sofort geschieht, ist die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit zugunsten der Kapitalseite. Diese hat nun ein weiteres Erpressungsmittel in der Hand, die Arbeitnehmerseite gefügig zu machen: Wenn Ihr nicht spurt, schmeißen wir Euch mittels Wechsel der Rechtsform aus dem Aufsichtsrat.
Der EuGH erweist sich damit erneut als Speerspitze des Neoliberalismus.
Erinnert soll in diesem Zusammenhang an jene Urteile werden, durch die der EuGH
die Tür für das Unterlaufen von Kollektivverträge aufgestoßen
und gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen dagegen als "EU-binnenmarktwidrig"
untersagt hat.
Letztlich exekutieren die obersten EU-RichterInnen damit den
Grundauftrag des EU-Primärrechts, die neoliberalen "Freiheiten"
des Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitskräfteverkehrs gegen
Sozialstaat und Gewerkschaften durchzusetzen, um alle EU-Staaten auf eine "offene
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" (Wortlaut des EU-Vertrags) zu verpflichten.
Aus dieser neoliberalen Zwangsjacke müssen wir uns befreien, wenn wir
wieder Raum für demokratische und soziale Alternativen zurückgewinnen
wollen.