Religionsmüde türkische Jugend

Darüber berichtete am schon am 11.2.2018 (entdeckt am 21.2.) die "Oberhessische Presse", es heißt dort u.a.:

"Die Türkei hat sich unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Jahren immer mehr von einem säkularisierten Staat zu einem Staat verändert, in dem der Islam sunnitischer Prägung eine überragende Rolle spielt. Doch gleichzeitig gibt es jenseits der beherrschenden Regierungspartei AKP eine Gegenbewegung: Eine nicht mehr schweigende Minderheit bekennt sich zum Atheismus und geht damit in die Öffentlichkeit.
Selbst die staatliche Behörde für religiöse Angelegenheiten hat das Problem erkannt und dazu im August 2017 in eine Sonderausgabe mit dem Thema 'Die Menschheit in den Klauen von Deismus, Atheismus und Nihilismus' herausgegeben."

Der Marburger Islamwissenschaftler Dr. Pierre Hecker konnte dazu nähere Informationen geben, er sagte der Zeitung u.a.: "Der Atheismus in der muslimischen Welt nimmt zu. Immer mehr Menschen wenden sich vom Glauben ab." Das sei aber auch ein Akt politischen Handelns. Und grundsätzlich: "Eigentlich ist das Säkularismus-Prinzip in der türkischen Verfassung verankert und somit die Türkei vom Grundsatz her ein weltlicher Staat".

Ja, es war eines der wichtigsten Merkmale das der Gründer der republikanischen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk in den 1929er-Jahren durchsetzte: man verwendete die säkulare Verfassung Frankreichs als Vorbild und richtete die Gesetze nach europäischen Vorbildern aus! Z.B. wurde auch islamische Kopftuch verboten! Die islamische Religion wurde unter staatliche Verwaltung gestellt, das Diyanet İşleri Başkanlığı (Präsidium für religiöse Angelegenheiten) hielt in der Zeit des Kemalismus die Muftis in Schach, Erdogan machte daraus ein Verwaltungsamt zur Durchreligiösisierung des Landes!

Dr. Hecker meinte weiters dazu, es gäbe in der Türkei kein Blasphemiegesetz, aber den Straftatbestand, der Beleidigung religiöser Werte. Wir in Österreich haben ja auch so einen Paragraphen, mit dessen Hilfe man praktisch den Atheismus zu einem Straftatbestand machen könnte, der § 188 des Strafgesetzbuches lautet: "Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

Erdogan wird seinen Paragraphen sicherlich entsprechend verwenden lassen, wenn sich zu viele junge Atheisten bemerkbar machen, in Österreich ruht der § 188 schon längere Zeit still im Strafgesetzbuch. Würde man ihn konkret und wortgetreu anwenden, meinereiner käme aus dem Arrest gar nimmer heraus, weil zumindest Glaubenslehren herabwürdigen tut meinereiner ja fast jeden Tag...

Dr. Hecker sagt zum nun schon längere Zeit in der Türkei nicht mehr verbotenen Kopftuch: "Bei meinen Gesprächen traf ich auf junge Frauen. die im Alltag und bei der Arbeit Kopftuch tragen, obwohl sie gar nicht mehr gläubig sind. Sie erhalten aber den Schein aufrecht, weil sie ihren Job behalten und ihre Angehörigen nicht verletzen wollen".

Ja, solche Nachrichten machen Hoffnung und auch ein Erdogan wird nicht ewig regieren...
Dann wird Atatürk doch noch richtig gelegen sein: