Kein G'spür für Bootsflüchtlinge

Das meint das Blatt "Österreich" in ihrer Ausgabe vom 18.7.2018 bei Bundeskanzler Kurz entdeckt zu haben, weil er sich geweigert hatte, 50 von den jüngst in Italien angelandeten 450 aufgefischten Schlepperopfern zu übernehmen.

Kurz hat 2017 die Wahlen damit gewonnen, dass er für die Schließung der Balkanroute gesorgt hatte und die "Willkommenspolitik" beendete. Und bei den Umfragen erfreut sich Kurz immer noch höchster Beliebtheit in der Bevölkerung. Der 2015 von Frau Merkel ausgelöste massenhafte Asylwerberzustrom nach Deutschland und Österreich hatte damals zu einer 85% hohen Ablehnung in der Bevölkerung geführt und die Stimmung ist bis heute aufrecht geblieben. "Österreich" meint nun, "eine Hardcore-Politik a la Salvini/Orban/Seehofer geht den meisten Österreichern dann doch zu weit". Letzten Sonntag hatte das Blatt eine Umfrage veröffentlicht, wonach 76 % der Bevölkerung mit der Politik von Kurz einverstanden sind, auch der 12-Stundentag scheint sein Image nicht beeinträchtigt zu haben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum dies durch die Ablehnung der italienischen Flüchtlingsverteilungsversuche geschehen sein soll.

Das Wort "populistisch" hat bei den politisch Korrekten denselben Klang wie "extremistisch". Das sagt aber gleichzeitig aus, dass Dinge, die im Volke populär sind, als extremistisch abzulehnen wären. Was unter demokratischen Verhältnissen doch schwer möglich ist, wenn die große Mehrheit der Leute massive Zuwanderungen ablehnen, dann wird sich die Politik bei Strafe des sonstigen Untergangs danach zu richten haben. Die Grünen haben es ja vorgeführt, was man mit un- und antipopulistischer Politik erreicht.

"Österreich" führt gleichzeitig zur Kritik an Kurz den italienischen Innenminister Salvini als schlechtes Beispiel für Hardcore-Politik an.
Salvini veranlasste den Stop der Übernahme von "geretteten" Asylwerbern. Diese werden von den Schlepperbanden künstlich in Seenot gebracht, damit sie aufgefischt und nach Europa "gerettet" werden, die "Rettung" geschieht in der Regel nahe an der afrikanischen Küste, weil die verwendeten Schlauchboote ja nicht hochseetüchtig sind, den Schlepperbanden ist es egal, ob alle von ihnen in diese prekäre Situation gebrachten Menschen wirklich rechtzeitig aufgefischt werden, sie existieren ja davon, dass es bei den meisten so ist und diese nicht zurückgebracht, sondern nach Europa transportiert werden. Italien versucht nun das Geschäft der Schlepperbanden zu stoppen, zurzeit ist es schon Spanien, das die meisten "Geretteten" übernimmt.

"Österreich" schließt den Artikel dazu mit: "Sebastian Kurz hat sich in den ersten sechs Monaten seiner Kanzlerschaft durch sein 'G'spür' ausgezeichnet. Der Kanzler versteht es wie kein anderer heimischer Politiker, Stimmungen in der Bevölkerung aufzugreifen. Dieses 'G'spür' sollte er jetzt auch bei der Asyl-Politik zeigen."

Wobei wohl die Zeitung ein eigenes Gespür dafür entwickelt hat, was für eine Stimmung im Lande zu herrschen hätte. Dabei wäre es wohl vernünftiger gewesen, ein bisschen Tatsachenrecherche zu betreiben. Italien ist ein Land an der EU-Außengrenze, aber es ist kein Land, das deswegen von Asylanten überströmt wird. Das zeigt sich deutlich an den EU-Zahlen über das europäische Asylwesen von 2015 bis 2017. Die BRD hat in dieser Zeit aufgrund der Merkelinitiative vom August 2015 ("Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt") über 1,4 Millionen Asylwerber aufgeommen, Italien mit über 330.000 lag an zweiter Stelle. Allerdings muss man zum Zahlenvergleich in erster Linie die Proportionen beachten! Österreich hatte im selben Zeitraum etwas über 150.000 Asylwerber, da die BRD ca. 10x so viele Einwohner hat, ist das aber eine höhere Prokopfbelastung als in der BRD. Und bei Italien ist das auch so. Pro Million Einwohner hatte Italien von 2015 bis 2017 etwa 5.500 Asylwerber, die BRD hatte ca. 17.500 und Österreich knapp 18.000. Da wäre es doch durchaus angebracht, wenn die BRD und Österreich Asylwerber nach Italien lieferten! Griechenland hatte in dieser Zeit mit rund 11.000 Asylanten pro Million Einwohner die doppelte Belastung, die könnten auch was nach Italien schicken, das in der Belastung der EU-Staaten bloß einen Platz im Mittelfeld belegt! Kurz macht keine "Hardcore-Politik", er hat sich nur die EU-Statistiken genauer angeschaut.

Und "Österreich" hat sogar die Aussage dazu von Kurz veröffentlicht, wie dieser Screenshot aus der Österreich-Meldung vom 17.7. zeigt:

Genauso ist es, aber die Österreich-Redakteure lesen offenbar nicht immer die eigene Zeitung!

Hier die Aufstellung über die Verteilung der Asylanten in Europa gereiht nach dem Verhältnis zur Einwohnerzahl:


Wobei auch das zum Teil Unstimmiges enthält, z.B. hat Ungarn 2015 sehr viele Asylwerber registriert, die allermeisten davon sind jedoch nach Österreich und von dort zum Großteil nach Deutschland weitergewandert und haben neuerlich um Asyl angesucht. Ungarn hat dann seinen Grenzzaun gebaut und so sind aus den 177.000 von 2015 im Jahre 2017 nur noch etwas über 3.000 geworden. Und von den 177.000 sind die wenigsten in Ungarn geblieben.

Im ersten Quartal 2018 hat es in Italien knapp 19.000 Asylwerber (gut 300 pro Mio. Einwohner) gegeben, in Österreich knapp 4.000 (ca. 450 pro Mio. EW), es besteht also immer noch keinerlei Grund, von Italien etwas zu übernehmen. Und die Migrationsbewegung übers Mittelmeer hat überhaupt stark nachgelassen, 2015 waren es über eine Million der etwa 1,4 Millionen Asylwerber in Europa gewesen, 2017 nur noch 172.000 von insgesamt rund 700.000. Wobei es dabei wohl auch deutliche Verschiebungen durch Weiterwanderungen gibt, also z.B. in Griechenland gelandete ohne genau eruierbare Einreiserouten in anderen EU-Staaten nochmals um Asyl ansuchten (Österreich, BRD, Schweden...)

Kurz hat jedenfalls seine Popularität in der österreichischen Bevölkerung 2016 durch die Schließung der Balkanroute errungen und sie konsequent bis heute halten können, weil eben 2015 die ungesteuerte massive Zuwanderung in der österreichischen Bevölkerung beträchtliche Besorgnisse und Ängste ausgelöst hatte, die sich bis heute nicht gelegt haben und sich wohl auch nicht so schnell legen werden. Dafür zu sorgen, dass sich 2015 nicht wiederholt, ist im Volke sehr populär und darum ist auch Sebastian Kurz sehr populär. Das ist zwar politisch unkorrekt, aber Tatsache. Und sowas lässt sich nicht wegargumentieren, die Wegargumentierer stärken mit ihren Argumenten bloß den Kurz...

Angemerkt muss dazu wieder einmal werden:
Die meisten europäischen Staaten haben immer eine für Asylwerber unpopuläre Politik betrieben, für Asylwerber populär war aber die Frau Merkel, die 2015 mit ihrem hirnlosen Sager über die Aussetzung der Duplinregelung für Syrer die Völkerwanderung deutlich verstärkte. Es hatte zwar schon 2014 einen Anstieg gegenüber 2013 von knapp 470.000 auf 660.000 gegeben, aber 2015 waren es dann eben fast 1,4 Millionen! Wobei gerechnet werden muss, dass es deutlich mehr waren, weil die BRD der Angelika "wir schaffen das!" Merkel 2015 den Ansturm nicht schaffte und erst im Lauf des Jahres 2016 die vollständige endgültige Registrierung aller leisten konnte, laut EU-Statistik waren 2015 nur 476.510, 2016 aber 745.155 Asylwerber in der BRD registriert worden, für Österreich lauteten diese Zahlen 88.160 und 41.950, hier ist die Zahl also um mehr als die Hälfte gesunken, in der BRD ist sie um mehr als die Hälfte höher. 2017 lagen die europäischen Zahlen fast gleichauf mit 2014, die BRD hatte 2014 mit 202.645 geringfügig mehr als 2017 mit 198.225, Österreich fiel von 28.035 auf 22.160. Heuer wird es sicherlich noch einen Rückgang geben, im Jahre 2010 war die EU-Gesamtzahl bei gut einer Viertelmillion gelegen, Österreich hatte rund 11.000 Asylwerber und damit proportional deutlich mehr als die BRD mit gut 41.000, aber auf die Einwohner gerechnet hatte Österreich ja mit der Ausnahme von 2016 immer eine größere Asylwerberzahl zu versorgen als die BRD. Und auch das bestätigt: Österreich braucht von nirgendwo irgendwelche Flüchtlinge übernehmen, unser Land hat diesbezüglich immer genug getan! Und das schon seit 1955!