Konzerne zahlen immer weniger

Solidarwerkstatt am 24.8.2018:

"Alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (sind) verboten."  heißt es im Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Die Folgen: Steuern auf Gewinne wurden gesenkt, öffentliche Kassen und der Sozialstaat ausgehungert und Umsatzsteuern auf den Konsum erhöht, was besonders Menschen mit wenig Einkommen trifft.

Der EU-Binnenmarkt hat auch weitreichende Folgen in der Steuerpolitik. So sind die Gewinnsteuersätze für Kapitalgesellschaften (Körperschaftssteuer) im Durchschnitt der EU-28 zwischen 1995 und 2016 von rd. 35% auf knapp über 22% gefallen – also um deutlich mehr als ein Drittel (sh. Grafik 1). Der Grund dafür ist klar: Zu den "Heiligtümern" des EU-Binnenmarktes zählt die Freiheit des Kapitalverkehrs. So heißt es im Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU: "Alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (sind) verboten."

EU verbietet Kapitalverkehrskontrollen

Erst durch dieses Verbot von Kapitalverkehrskotrollen wird das Kapital zum oft zitierten „scheuen Reh“, das die Staaten erpressen und im „Standortwettbewerb“ gegeneinander ausspielen kann. Dadurch wurde in allen EU-Staaten ein enormes Gewinnsteuerdumping ausgelöst (sh. Grafik 2), von dem in erster Linie die großen Konzerne profitieren. Auch in Österreich wurden die Körperschaftssteuersätze deutlich gesenkt (von 34% auf 25%) und den Konzernen großzügige Steuergeschenke offeriert, z.B. durch die Gruppenbesteuerung, die es Unternehmen ermöglicht, Gewinne im Inland mit Verlusten von Tochterfirmen im Ausland gegenzuverrechnen.


Die Folgen: Einerseits werden die öffentlichen Kassen und der Sozialstaat ausgehungert, andererseits werden die Steuersätze dort erhöht, wo nicht so leicht „geflüchtet“ werden kann: bei den Umsatzsteuern auf den Konsum. Die Umsatzsteuersätze sind im Durchschnitt der EU-28 zwischen 1995 und 2014 um über 11% gestiegen. Gerade diese Steuern sind aber besonders unsozial, weil sie die unteren Einkommensschichten, die den Großteil ihres Einkommens für Konsum ausgeben, überproportional belasten. Ebenfalls freuen dürfen sich Großverdiener – die Spitzensteuersätze in der Einkommenssteuer sind im EU-Durchschnitt deutlich zurückgegangen.

Ohne Kapitalverkehrskontrollen keine demokratische Wirtschaftspolitik!

Das Verbot von Kapitalverkehrskontrollen unterläuft letztlich jede Form demokratischer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die an der breiten Mehrheit der Bevölkerung orientiert ist. Denn jede wirtschafs- und sozialpolitische Maßnahme, die den großen Kapitalgruppen zuwiderläuft, kann von diesen sofort mit der Drohung des Kapitalabzugs unterlaufen werden.

Das Verbot von Kapitalverkehrskontrollen ist im EU-Primärrecht einzementiert; das heißt, es kann nur geändert werden, wenn alle 28 EU-Staaten gleichzeitig mit Verfassungsmehrheit das beschließen. Das ist faktisch unmöglich. Wer wieder Kapitalverkehrskontrollen – als Voraussetzung einer demokratischen Wirtschafts- und Sozialpolitik – einführen will, kommt daher an der Frage des Austritts aus den EU-Verträgen nicht umhin.