Der Niedergang der Kirche & der Boom katholischer Schulen

Gast-Kommentar von Gerhard Engelmayer vom 14.1.19 für die PRESSE - dort erschien der Beitrag nicht mit dem Argument, dass "die Kirche eh schon so gebeutelt wird von inneren Konflikten..." - darum versandte Gesinnungsfreund Engelmayer ihn per Mail...

"Der Niedergang der Kirche geht in naturgesetzlicher Weise wie der Zerfall von Atomkernen und mit der gleichen Mathematik vor sich" (Heinz Oberhummer).

Die Kirche müsste sich anpassen, um nicht unterzugehen, den Glauben undogmatisch gestalten, ein offenes, toleranteres, nicht angstmachendes, unautoritäres System gestalten. Dabei ist schon bei dieser Aufzählung jedem klar, dass dann die Kirche erst recht, wenn auch anders untergeht.

Die Menschen, die gerne in einer aufgeklärten Community leben wollen und ihre Kinder mit Sicherheit in diesem humanistischen Sinne erziehen wollen, vor allem im Hinblick auf eine zeitgemäße Ethik, können dies im Moment nur zuhause tun. Die anderen müssen das Wagnis eingehen, ihre Kinder in eine der 374 privaten katholischen Schulen zu schicken, wo manchmal sogar Opus Dei unterrichtet, oder in eine öffentliche Schule, die an die Auflagen des Konkordates gebunden ist und wo gespreiztes Denken normal ist. (2 h Religionsunterricht für kritikfreies Denken). Um eine Schule im (neu-humanistischen) Sinne einzurichten, wo durchgängig kritisches Denken gelehrt wird und der Lehrplan auf dem Boden des heutigen Wissens der Menschheit und der westlichen Kultur entwickelt wurde, wären aufgeklärte "neu-humanistische" Privat-Schulen notwendig.

Warum gibt es die nicht?
In unserem Staat, früher das Zentrum der Gegenreformation, also der rücksichtslosen Zurückeroberung katholischer Herrschaft über die Menschen, zeigen die Gesetze noch immer ihr kirchenfreundliches, anti-egalitäres Gesicht. Denn jede Konfession kann sofort eine Schule aufmachen und Unterstützung beantragen, wodurch mindestens die Lehrerkosten wieder hereinkommen. Das hat eine ungehemmte, ja geförderte Entwicklung dieses Schultyps zur Folge - trotz des Niedergangs der Kirche. (Jährliches Wachstum der konfessionellen Schulen: 2014/15 +1,5%). De facto ist bereits jetzt weniger als die Hälfte der Bevölkerung katholisch, wenn man die Zahlen um die später austretenden Kinder bereinigt. Eine Förderung ist also nicht einzusehen, außer man ist von der ethischen Überlegenheit des Christentums an sich überzeugt, wofür es keinen Beleg gibt. Selbstverständlich wachsen im Windschatten der katholischen Schulen auch muslimische aus dem Boden, denn sie fordern zu Recht die gleichen Rechte.

Die einzigen, die nach geltendem Recht keine Aussicht auf Subvention haben, sind nicht-konfessionelle Privatschulen, die also z.B. von Säkularisten gegründet werden, die ohne Religion auskommen. Säkulare Humanisten erziehen die Kinder zu kritischen, mündigen Bürgern und schon deshalb wollen sie keine konfessionelle Schule. Sie wollen selbständig denkende Kinder, die nicht jedem Populisten sofort auf den Leim gehen, die für eine offene Gesellschaft im Sinne Poppers sind, deren Individualität und Kreativität gefördert wird. Bildung, nicht Indoktrination und eine zeitgemäße Ethik sind zentrale Anliegen. Wie soll das die Kirche können, mit ihrer geistigen Basis des Wahrheitsbesitzes und autoritären Struktur?

Anders als sogar in Bayern gelten bei uns nur religiöse und nicht weltanschauliche Gemeinschaften wie die Humanisten als Körperschaften öffentlichen Rechts und als förderungswürdig. Eine solche Diskriminierung ist ein(e) GAU (Größte anzunehmende Unterschiedlichkeit) und ein Skandal.

Dr. Gerhard Engelmayer - Vorsitzender des Humanistischen Verbandes Österreich
Initiator der Plattform "Ethikunterricht für alle"