Heinz
Rühmann als der Hauptmann von Köpenick (1956).
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Einst wurde der Hauptmann von Köpenick als Glosse gegen preußischen
Militarismus und Untertanengeist berühmt. Diese Symbolik ist offenbar beim
linken Kultursenator nun vergessen. Der Senat stemmt sich gegen den UNESCO-Weltkulturerbe-Vorschlag
für die Hauptmanns-Legende.
Eigentlich strebt ein Verein, angeführt
vom CDU-Bundestagsabgeordneten Niels Korte, schon seit eineinhalb Jahren an,
den "Hauptmann von Köpenick" als Weltkulturerbe zu etablieren.
Jetzt stößt der Plan jedoch erstaunlicherweise auf den Widerstand
des Berliner Senats. Die Berliner Stadtoberen begründen ihre Entscheidung,
die Bewerbung für die nächste Ebene zu blockieren, damit, die ganze
Geschichte sei zu militaristisch, wie die Berliner Zeitung berichtete.
Diese
Entscheidung sei zunächst von einem Expertengremium des Landes getroffen
worden. Danach habe die Verwaltung des Linken-Politikers und Kultursenators
Klaus Lederer diesen harschen Tritt auf die Bremse ebenso befürwortet.
Die
Berliner Zeitung zitiert aus der Begründung des Berliner Senats:
"Da
die Köpenickiade mit dem deutschen Kaiserreich und dem preußischen
Militarismus verbunden und nicht mehr zur Identifikation geeignet ist, ist fraglich,
ob und welche Bedeutung sie in unserer heutigen Gesellschaft noch hat beziehungsweise
haben könnte."
Schon zeitgenössische Berichte erkannten
1906 dagegen in dem Vorfall ein Zeichen der Absurdität des preußischen
Militarismus. Die Berliner Morgenpost schrieb seinerzeit nach der tatsächlichen
Köpenickiade:
"Daß ein ganzes Gemeinwesen mit allen seinen
öffentlichen Funktionen, ja daß eine Abteilung Soldaten selbst auf
so überwältigend komische und dabei doch völlig gelungene Art
von einem einzigen Menschen düpiert wurde, das hat in unserem Lande der
unbegrenzten Uniform-Ehrfurcht ein militärisches Gewand getan, mit dem
sich ein altes, krummbeiniges Individuum notdürftig behängt hatte."
Der Kommentar der damaligen Berliner Volkszeitung ging in eine ähnliche
Richtung: "Das Köpenicker Gaunerstückchen stellt sich dar
als der glänzendste Sieg, den jemals der militaristische Gedanke in seiner
äußersten Zuspitzung davongetragen hat. Das gestrige Intermezzo lehrt
klipp und klar: Umkleide dich in Preußen-Deutschland mit einer Uniform,
und du bist allmächtig."
Der aus Ostpreußen stammende
Schuhmacher Wilhelm Voigt, seinerzeit der falsche Hauptmann von Köpenick,
wurde jedoch nicht nur zum Symbol für die Absurdität des preußisch-deutschen
Militärstaates, den schon der Militärschriftsteller Georg Heinrich
von Berenhorst bereits hundert Jahre zuvor folgendermaßen charakterisiert
hatte: "Die preußische Monarchie bleibt immer - nicht ein Land,
das eine Armee, sondern eine Armee, die ein Land hat, in welchem sie gleichsam
nur einquartiert steht." Er wurde auch zur Bezugsperson für die Masse
der armen Bevölkerung, war er doch einer von ihnen, der den Obrigkeitsstaat
und Untertanengeist hereingelegt und - wie Heinrich Mann später auch 1918
mit "Der Untertan" - auf seine Weise herausgefordert hatte.
Hier die Polizeifotos von Friedrich Wilhelm Voigt (13. 2. 1849 bis
3. 1. 1922) dem echten Hauptmann von Köpenick, der nach Verbüßung
der Haftstrafe für seinen Coup sein restliches Leben zu beträchtlichen
Teilen als "Hauptmann von Köpenick" gestaltete:
Und
hier das Denkmal von Voigt vor dem Köpenicker Rathaus:
(beide
Abbildungen PD Wikipedia)
Der Film von 1956 mit Heinz Rühmann
in der Hauptmanns-Rolle beruht auf dem Theaterstück "Der Hauptmann
von Köpenick. Ein deutsches Märchen in drei Akten" von Carl Zuckmayer
(1896-1977), 1930 verfasst, erste Theaterstücke hatte es bereits kurz nach
dem Geschehen gegeben, erste Filme folgten ab der Stummfilmzeit. Seit 2006 wird
jedes Jahr im Oktober das Zuckmayer-Stück im Festsaal des Rathauses Köpenick
durch das "Stadttheater Cöpenick" aufgeführt, 1997 gab es
die bisher letzte Verfilmung des Zuckmayer-Stückes mit Harald Juhnke in
der Hauptrolle.
Und da sitzen im Berliner Senat kulturell unterbelichtete
Tröpfe, die meinen, der Hauptmann von Köpenick dürfe nicht zum
Weltkulturerbe gehören, weil dieses zur zeitgeschichtlichen Satire wider
den Militarismus gewordene Geschehen zu militaristisch sei.