Die EU-Mitgliedstaaten blockieren weiter öffentliche Steuertransparenz von Großunternehmen. Beim heutigen Treffen der entsprechenden Ratsarbeitsgruppe "Gesellschaftsrecht" konnten sich die Vertreter der nationalen Regierungen wieder nicht auf eine gemeinsame Position zum Kommissionsvorschlag für die sogenannte öffentliche länderbezogene Steuerberichterstattung von multinationalen Unternehmen ("country-by-country-reporting") einigen.
Zypern, Malta, Österreich, Ungarn, Estland, Luxemburg, Lettland, Irland, Polen, Schweden, Tschechische Republik, Slowenien, Portugal und Kroatien bezweifeln allesamt die Rechtsgrundlage des Kommissionsvorschlags und wollen ihn lieber in der Ratsarbeitsgruppe "Steuern" verhandeln, wo statt qualifizierter Mehrheit Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten erforderlich wäre. Damit wäre die Steuertransparenz für Großunternehmen mit Sicherheit versenkt. Das Zünglein an der Waage bleibt Deutschland, das zusammen mit Litauen seinen Prüfvorbehalt aufrecht erhält. Die Federführung in der Bundesregierung hat Christine Lambrecht (SPD) für das Bundesministerium der Justiz. An der Ressortabstimmung beteiligt sind der Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Frankreich, Spanien, Belgien, Dänemark, die Niederlande, Italien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und die Slowakei dagegen sehen öffentliche Steuertransparenz als Maßnahme unternehmerischer Berichterstattung und befürworten eine Befassung in der Ratsarbeitsgruppe Gesellschaftsrecht. Die finnische Ratspräsidentschaft selbst hat keine klare Haltung, da innerhalb der finnischen Regierung Uneinigkeit zwischen den beteiligten Ministerien herrscht.
Erst gestern forderten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments in einer parteiübergreifenden Resolution die EU-Regierungen auf, ihre Blockade öffentlicher Steuertransparenz aufzugeben.
Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen
im Europäischen Parlament:
"Mit ihrer Blockade der Steuertransparenz
von Großunternehmen verspielen die europäischen Regierungen Vertrauen
der Bürger in die Europäische Union. Die Bekämpfung von Steuerdumping
multinationaler Konzerne wäre möglich durch gemeinsames Handeln der
europäischen Mitgliedsländer. Mit Steuertransparenz pro Geschäftsland
würde dem Verschieben von Gewinnen in Steueroasen faktisch ein Riegel vorgeschoben.
Die EU-Regierungen pochen offensichtlich lieber auf ihre Souveränität
in Steuerfragen, anstatt Steuergerechtigkeit für Bürger sowie kleine
und mittlere Unternehmen herzustellen. Es ist ein europapolitisches Trauerspiel,
wie sich die Bundesregierung schon wieder gegen Frankreich gestellt hat, das
Europa auch hier stärken wollte.
Innerhalb der Bundesregierung tragen
die SPD-Minister eine besondere Verantwortung für den Stillstand auf europäischer
Ebene. Das Verstecken hinter einem Prüfvorbehalt der Rechtsgrundlage ist
nichts anderes als Feigheit, klar Stellung zu beziehen. Lambrecht und Scholz
müssen bei der Steuertransparenz genauso den Konflikt mit der Union suchen
wie bei der Grundrente. Erst dann wird die Kehrtwende von Olaf Scholz in Sachen
Steuertransparenz glaubwürdig. Im Koalitionsvertrag bekennt sich auch die
Union eindeutig zum Kampf gegen Steuerbetrug und aggressive Steuervermeidung.
Daran müssen die Sozialdemokraten den CDU-Wirtschaftsminister Altmaier
erinnern. Gerade die Unionsparteien sollten für fairen Wettbewerb zwischen
dem Mittelstand und Großunternehmen eintreten. Ihr Widerstand gegen Steuertransparenz
von Großunternehmen untergräbt die soziale Marktwirtschaft wie auch
die Steuergerechtigkeit.
Die juristischen Bedenken sind vorgeschoben. Für
die Großbanken hat die EU bereits länderbezogene Steuertransparenz
im Mehrheitsverfahren eingeführt. Das funktioniert seit Jahren und hat
zu keinerlei juristischen Problemen geführt. Ebenso vorgeschoben sind die
Befürchtungen von Sanktionen von Drittländern. Die schon existierenden
Regeln für Großbanken sind international akzeptiert worden. Gerade
die USA haben in den letzten Jahren weitreichende Steuerreformen mit Auswirkungung
auf Drittländer beschlossen. Auch hier gab es keine negativen Reaktionen
der anderen Staaten. Europa sollte seine Souveränität ausüben,
indem es fairen Wettbewerb und Steuergerechtigkeit verteidigt. Hasenfüßigkeit
ist für Europa ein schlechter Berater."
Parteiübergreifende
Resolution
des Europäischen Parlaments, um die Mitgliedsländer aufzufordern,
endlich ihre Verhandlungspause zu beenden!
Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode!