Auch in den Vereinigten Staaten leidet die Wirtschaft stark unter der Corona-Pandemie. Immer mehr Menschen verlieren ihre Arbeit. Doch auch diejenigen, die ihren Job behalten haben und von zu Hause aus arbeiten, geraten zunehmend unter Druck – George Orwell lässt grüßen.
Der Ausbruch der
Corona-Pandemie hat weltweit tiefgreifende Auswirkungen auf die
Wirtschaft. Auch in der nach wie vor größten Weltwirtschaft (nach BIP),
den USA, sind die Folgen der Krise gravierend. Das US-amerikanische
Economic Policy Institute schätzt,
dass die Arbeitslosenquote in den USA bis Juli dieses Jahres 16 Prozent
erreichen könnte. Viele Unternehmen bleiben geschlossen, einige
vermutlich für immer. Doch auch für diejenigen, die ihre Arbeit behalten
werden, kommt eine neue Bedrohung hinzu: die totale Überwachung am
Arbeitsplatz.
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Ein Beitrag im US-Nachrichtenportal The Daily Dot gibt
einen verstörenden Ausblick darauf, wie Unternehmen in den USA
unterschiedliche Strategien entwickeln, um mit der Wirtschaftskrise
zurechtzukommen. Einige dieser Strategien könnten jedoch dafür sorgen,
dass Arbeiter und Angestellte auch über die Corona-Pandemie hinaus
stärker unter Druck geraten.
Ein Beispiel für ein derartiges Szenario ist laut The Daily Dot das Unternehmen Amazon. Der Internetgigant geriet zu Beginn der Pandemie in den USA zunächst in die Kritik,
da Mitarbeiter die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz
bemängelten. Zudem beschwerten sich die Mitarbeiter auch darüber, dass
es weder bezahlte Kurzarbeit noch eine Art Gefahrenzulage gab. Amazon
ließ daraufhin verlauten,
dass es alles in seiner Macht Stehende tun werde, um den Anforderungen
gerecht zu werden. Doch das muss laut dem Nachrichtenportal nicht
unbedingt eine gute Nachricht sein.
Stärkere Überwachung unter dem Vorwand Corona?
Amazon habe seine "Top-Technologen für maschinelles Lernen", also künstliche Intelligenz (KI), damit beauftragt,
alles dafür zu tun, um die Vorschriften der sozialen Distanzierung in
den Lagerhäusern besser umsetzen zu können – unter anderem durch den
Einsatz "interner Kamerasysteme". Doch das könnte gleichzeitig dazu
führen, die Überwachung der Mitarbeiter mithilfe von KI
noch weiter auszubauen.
Schon jetzt werden Angestellte in den Lagerhäusern von Amazon stark überwacht.
Dabei geht es vor allem darum, festzustellen, wer wie schnell seine
Aufträge erfüllt. Wer seine Quoten nicht schafft, muss häufig mit einer Entlassung rechnen. Laut The Daily Dot
beschweren sich einige Beschäftigte in den USA darüber, dass sie noch
nicht einmal Zeit hätten, die Toilette aufzusuchen, und deswegen in Flaschen urinieren müssten.
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Was
Amazon nun im Zuge der Corona-Pandemie genau plant, um die Umsetzung
der sozialen Distanz zu gewährleisten, ist nicht bekannt. Eine Anfrage
von The Daily Dot an das Unternehmen blieb
unbeantwortet. Vorstellbar wäre allerdings, dass die
Kameras explizit beobachten, wo sich Arbeiter befinden und wie groß der
Abstand zwischen ihnen ist, und gegebenenfalls Alarmmeldungen an die
Vorgesetzten senden, sollte ein Arbeiter gegen die Regeln verstoßen.
Wenn Homeoffice zu einem Alptraum wird
Doch nicht nur Amazon setzt in den USA zunehmend auf Überwachung. Laut Medienberichten
investieren immer mehr Firmen im Zuge der Corona-Pandemie nun zügig in
Überwachungstechnologie, die vor allem eines leisten soll: Überwachung
von Mitarbeitern im Homeoffice.
Wer in den USA von einer
gemütlichen Homeoffice-Atmosphäre geträumt hatte, findet sich
mittlerweile immer öfter in einem Alptraumszenario wieder. Die neue
Überwachungstechnologie kann nicht nur die Tastenanschläge eines
Mitarbeiters und die von ihm besuchten Webseiten überwachen – sie
kann außerdem Screenshots vom Computerbildschirm des Mitarbeiters
machen.
Hinzu kommen Videokonferenz-Tools wie "Sneek",
die den gesamten Arbeitstag über eingeschaltet bleiben und regelmäßig
Bilder des Mitarbeiters über seine Webcam machen, damit der Chef einen
Beweis für die Anwesenheit des Angestellten vor dem Bildschirm hat. Dies
kommt den von George Orwell in seinem Roman "1984" beschriebenen
"Teleschirmen" schon sehr nahe.
Roboter brauchen keine soziale Distanz
Es
ist allerdings nicht nur die zunehmende Überwachung, die den
Mitarbeitern und Angestellten Sorgen bereiten sollte – auch die
sogenannte Automatisierung, in Deutschland auch unter dem Begriff
"Digitalisierung" bekannt, wird in den USA von Unternehmen wie Amazon
und Walmart vorangetrieben. Die Corona-Pandemie könnte die Entwicklung weiter beschleunigen – Maschinen brauchen keine soziale Distanz.
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Ein im vergangenen Jahr veröffentlichter Bericht
von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Oxford geht davon aus,
dass bis 2030 weltweit rund 20 Millionen Arbeitsplätze in der
verarbeitenden Industrie durch die Automatisierung verloren gehen
könnten. Richard Wolff, ein emeritierter Professor für
Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts, erklärte
gegenüber The Daily Dot:
Sie [die
Unternehmen, Anm. der Redaktion] versuchen immer, Arbeiter durch
Maschinen zu ersetzen, weil sie eine Maschine so steuern können, wie sie
den Arbeiter nicht steuern können.
Laut Wolff sind
Automatisierung und Überwachung die von Unternehmen bevorzugten Mittel,
damit sie in der Corona-Krise nicht noch mehr Verlust machen – oder um
den Schaden zumindest unter Kontrolle zu halten. Wenn sich Unternehmen
jedoch immer stärker darauf einstellten, Arbeit ohne menschliche
Arbeitskraft zu erledigen, dann hätten sie möglicherweise auch wenig
Anreiz, neue Arbeitsplätze zu schaffen, gibt Wolff zu bedenken. Er geht
auch davon aus, dass ein Teil der 500 Milliarden US-Dollar,
die von der US-Regierung wegen der Corona-Krise zur Rettung von
Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden, in Investitionen für
Automatisierung und Überwachung fließen könnte.
Überwachung macht krank
Jeffrey Pfeffer, Professor für Organisationsverhalten an der Universität Stanford, erklärte ebenfalls gegenüber The Daily Dot, dass es bei der Debatte um Automatisierungen nicht nur um Roboter und Arbeiter gehe, sondern auch um KI und Angestellte.
"Die künstliche Intelligenz war bereits [vor der Corona-Pandemie, Anm.
der Redaktion] auf dem Vormarsch für Angestellte", so Pfeffer. "Ich
glaube nicht, dass es sich um ein Phänomen handelt, das nur Arbeiter
betrifft."
Der Wissenschaftler geht davon aus, dass auch Jobs in
der Justiz, im Finanzwesen und im Journalismus betroffen sein werden. So
ist zum Beispiel bekannt, dass die US-Nachrichten- und Presseagentur Associated Press seit Jahren Artikel durch KI schreiben lässt. Aber auch die Überwachung werde steigen, da in Zukunft mehr Menschen im Homeoffice tätig sein würden, so Pfeffer.
Ifeoma Ajunwa, Professorin für Arbeits- und Dienstrecht an der Cornell University, stimmt dem zu. Gegenüber The Daily Dot
erklärte sie, dass es zwar einerseits gut sei, dass Menschen von zu
Hause aus arbeiten könnten, aber es bedeute eben auch, dass sie vermehrt
Eingriffe in ihre Privatsphäre erleben könnten.
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"Obwohl
der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, Mitarbeiter, die
von zu Hause aus arbeiten, zu überwachen, kann eine übermäßige
Überwachung die Privatsphäre der Arbeitnehmer verletzen und auch
kontraproduktiv sein, da der Stress der Überwachung die Produktivität
verringern kann", so Ajunwa.
Man könne die Auswirkungen der Arbeit in einer stark überwachten Umgebung auf die psychische Gesundheit kaum überbewerten. Untersuchungen zeigen,
dass Überwachung am Arbeitsplatz das Stressniveau deutlich erhöht und
die Arbeitsleistung beeinträchtigen kann. Die Bedrohung durch die
Automatisierung ist ein zusätzlicher Stressfaktor.
Larry Mishel, ein renommierter Mitarbeiter des Economic Policy Institute, erklärte gegenüber The Daily Dot,
dass die Arbeitnehmer ihre Macht nur durch kollektives Handeln
zurückgewinnen könnten. Unabhängig davon, ob sie eine offizielle
Gewerkschaft gründeten oder einfach damit begännen, Forderungen an ihr
Unternehmen als Gruppe zu stellen – es sei am besten, wenn sie
zusammenarbeiteten.
"Ich denke, es wird viele Menschen geben, die
sich – wenn sie diese Situation sehen – wünschen werden, dass sie eine
Gewerkschaft hätten, dass sie mehr Mitspracherecht am Arbeitsplatz
hätten, dass sie eine Möglichkeit hätten, mit ihrem Arbeitgeber
zusammenzuarbeiten, um bessere Löhne, Gefahrenzulagen und sichere
Arbeitsbedingungen zu erhalten", erklärte Mishel.
Nachbemerkung atheisten-info: Wenn man diesen RT-Artikel liest, kann man durchaus auf die Idee kommen, dass RT, also "Russia Today", noch Mitarbeiter hat, die sich an die sowjetisch-marxistischen Zeiten erinnern können...