Am Dienstag debattierte das EU-Parlament in Brüssel darüber, dass
der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell inmitten zunehmender Spannungen
mit Russland wegen der Nawalny-Affäre Moskau besuchte. Eine irische Linken-Politikerin
sorgte dabei für deutliche Worte.
Während viele Abgeordnete den Moskau-Besuch verurteilten, ja sogar teilweise
Borrells Rücktritt und Sanktionen gegen Russland forderten, attackierte
die irische Linken-Politikerin Clare Daly die Doppelmoral im EU-Parlament, was
Menschenrechte angeht, und warf ihren Kollegen eine "anhaltende Russland-Feindlichkeit"
vor. Deshalb müsse man sich auch nicht wundern, wenn die russische Regierung
zunehmend in Frage stellt, ob vernünftige Beziehungen zur EU überhaupt
möglich seien. Sie behauptete außerdem, dass man in der EU überhaupt
nicht über Nawalny sprechen würde, wenn er in einem anderen Land als
Russland verhaftet worden wäre.
"Nawalny ist ein bösartiger, einwanderungsfeindlicher Rassist mit
vielleicht vier Prozent Unterstützung, der in Millionenstädten ein
paar Hundert oder Tausend Menschen zusammenbringt – das ist keine Massenbewegung.
Mittlerweile ist Julian Assange seit fast zehn Jahren eingesperrt, weil er US-Kriegsverbrechen
aufgedeckt hat. Wir dürfen seinen Namen nicht erwähnen. [...] Wo bleibt
[...] der Aufschrei über die Hunderte von Menschen, die vor einer Woche
bei einem Protest hier in dieser Stadt verhaftet wurden? Nicht ein einziges
Wort – denn hier geht es nicht um Menschenrechte. Es geht um eine geopolitische
Agenda gegen Russland, angeheizt durch einen militärisch-industriellen
Komplex, der einen Feind braucht, um seine Millionen (Ausgaben) zu rechtfertigen",
so Daly.
Borrell verteidigte während der Debatte seine jüngste Reise nach
Moskau. Er habe der russischen Regierung deutlich machen wollen, dass die EU
"die Rechte von Nawalny verteidigen" werde. Ein Moskauer Gericht hatte
Alexei Nawalny zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, weil er gegen
seine Bewährungsauflagen verstoßen hatte. Seine Verhaftung und seine
Aufrufe sorgten für Proteste, bei denen es zu Massenfestnahmen, jedoch
nicht zu größerer Polizeigewalt kam. Die russische Regierung zeigt
sich mittlerweile müde von den jahrelangen Vorwürfen, Angriffen und
Sanktionen der EU.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte beim besagten Borrell-Besuch
in Moskau seinen EU-Kollegen darauf hingewiesen, dass es in der EU und den USA
teilweise viel härteres Vorgehen gegen Demonstranten gebe, als er dies
zuvor in Russland angeprangert hatte. Lawrow sagte dazu auf einer anschließenden
Pressekonferenz mit Borrell: "Die Hysterie, die wir bezüglich des
Prozesses im Fall Nawalny gehört haben, ist völlig übertrieben.
Außerdem geht die Polizei im Westen, wenn es um Menschenmengen geht, die
an illegalen Kundgebungen teilnehmen, viel härter mit den Demonstranten
um als unsere Strafverfolgungsbehörden."