Im Jahre 4.527.835 vor unserer Zeitrechnung (plus/minus ein paar Millionen
Jahre) streifte der marsgroße Planet Theia das, was später mal unsere Erde
werden sollte und zu dieser Zeit noch aus weichem Matsch bestand. Kein Wunder,
dass die Erde leicht zerbröselte und einen Teil ihrer mühsam gesammelten Gesteine
in den leeren Raum abgeben musste. Doch der Verlust war nicht vergebens: Aus
den Trümmern formte sich ziemlich schnell, nach nur 10.000 Jahren, unser Mond.
Der war damals viel näher, und die Erde drehte sich auch viel schneller um
ihre Achse. Allmählich wirkte die gegenseitige Schwerkraft auf die noch immer
recht beweglichen Himmelskörper. Umlauf und Rotation, letztere bei Erde und
Mond, wurden abgebremst, der Mond verließ langsam den Einflussbereich tödlicher
Gezeiten-kräfte, und so entstand das Erde-Mond-System. Gaias Begleiter ist,
relativ gesehen, ungewöhnlich groß; nur das System Pluto - Charon kann damit
verglichen werden. Aber Pluto wurde inzwischen zu einem Zwergplaneten degradiert,
der hat nichts mehr zu melden.
Zurück zu Gaia/Terra/Erde: Was wäre geschehen, hätte Theia eine andere Bahn
verfolgt und die Erde vor dieser Kollision verschont? Was also, fragt der Astronom
Neil F. Comins in seinem gleichnamigen Buch: "What If the Moon Didn't Exist?".
Die Antwort ist reichlich ernüchternd: Vermutlich gäbe es auf der Erde kein
Leben, schon gar kein intelligentes.
Ohne Mond hätte die Erde keinen Schwerkraft-Stabilisator. Sie würde dreimal
schneller rotieren, dafür gäbe es kaum Gezeiten. Wegen der schnellen Umdrehung
gäbe es furchtbare Stürme wie auf dem Jupiter, was den aufrechten Gang eventueller
Lebens-formen eher erschweren würde. Die Atmosfäre wäre möglicher-weise
immer noch so wie die der Venus, des irdischen Schwesterplaneten der Erde: viel
Kohlendioxid, ein paar Schwefel-dämpfe, wenig Stickstoff, kein Sauerstoff.
Wir wissen immer noch nicht, wie und wo das Leben entstand. Auf kahlen heißen
Felsen sicher nicht, denn dort wird alles ziemlich schnell durch Trockenheit,
Hitze und Strahlung aus dem All zerstört. In einem unermesslichen Ozean auch
nicht, denn dort wird alles sofort wieder aufgelöst. Das Leben brauchte vermutlich
die flachen Küsten der Ozeane, Schelf genannt. Die aber entstehen durch Gezeitenwirkung,
und dafür baucht es einen nahen Himmelskörper.
Mineralien aus den Flüssen würden weniger effektiv ins Meer geschwemmt werden,
das Durchmischen der Meere wäre viel langsamer. Ohne Mineralien, vor allem
Phosphor, gäbe es keine organischen Energieträger. Die Atmosfäre wäre dichter,
Tage und Nächte kürzer. Möglicherweise wäre die Luft viel seltener durchlässig
für das Licht der Sterne. Gäbe es intelligente Wesen, hätten diese Probleme
mit der Zeitmessung. Denn dazu braucht man den Mond sowie die Sterne. Ersteren
gibt es nicht, letztere sieht man nicht. Wie könnten die Menschen dann ein
Bild von sich und der Welt entwickeln?
Philosophisch gesehen bewährt sich hier wieder der Spruch: Was zunächst wie
eine Katastrophe aussieht, kann sich nachher als Segen erweisen. Aber vorher
weiß man das nicht.