Reformreformer Ratzinger

Seinerzeit unter Papst Johannes XXIII. hatte die katholische Kirche versucht, in der heutigen Welt einen passenderen Platz zu finden. Das "Zweite Vatikanum" beschloss in den 1960er-Jahren eine Reihe von Reformen, die schon vor dem berühmten reformeifrigen 1968-Zeitalter einer sehr in der Vergangenheit beheimateten Institution etwas Leben aus der Gegenwart einhauchen sollten.

Eine der damals auffälligen Änderungen war die im Gefolge des Konzils erlassene neue Messordnung. Der Priester sprach nicht mehr Latein, sondern die jeweilige Landessprache, er kehrte sich dabei nicht dem Altar, sondern den Zuschauern zu.

Besonders traditionell ausgerichtete Katholiken gefiel das gar nicht, es gab im Gefolge sogar eine Abspaltung (Pius-Bruderschaft), die in alter Weise weitermachte. Papst Ratzinger ist diesbezüglich offenbar ähnlich eingestellt wie die Piusbrüder. Vorsichtig revidiert er deshalb Entscheidungen des Vatikanums. Die lateinische Messe hat er 2007 wieder zugelassen, seit 2008 kann sie auf Wunsch von Kirchgängern überall abgehalten werden. Inzwischen wurde sogar eine Lateinmessen-Lehr-DVD für Priester, die diese Art der Zelebrierung nimmer können, aufgelegt.

Zurzeit wird im Vatikan an einer Rückabwicklung der Messreform gearbeitet. Der Präfekt der Gottesdienstkongregation, Kardinal Llovera, bestätigte in der letzten Oktoberwoche 2009 in einem Interview, dass an Vorschlägen zur "Reform der Reform" gearbeitet werde. Vor allem müsse in der Liturgie mehr "Ehrfurcht" vor Gott geweckt werden. "Die Liturgie muss immer in Richtung Gott ausgerichtet sein nicht in Richtung der Gemeinschaft. Es ist nicht die Gemeinschaft, die die Liturgie macht, sondern es ist Gott, der diese macht."

Zwei Fragen dazu: Müssen sich die Pfarrer jetzt - statt dem sündigen Kirchenvolk ins Gesicht zu schauen - wieder zum Altar umdrehen, weil dort ja im Tabernakel der katholische Gott haust? Wenn aber Gott eh selber die Liturgie macht, was mischt sich dann der Vatikan ein?

Spaßig dabei ist auf alle Fälle, dass es der großen Masse der europäischen Katholiken von Herzen wurscht sein wird, was sich die Gottesspezialisten in Rom ausdenken. Denn sie gehen ohnehin so gut wie nie in die Kirche. Z.B. daran zu erkennen, dass bei Hochzeits- oder Begräbnismessen sogar in kleinen Landpfarren mittlerweile die Kirchenbesucher oft mit Handzeichen angewiesen werden, wann sie aufstehen und sich wieder setzen sollen. Weil selbst dort die Pfarrer schon wissen: bei solchen Messen mit Zufallspublikum ist der Großteil der Leute mit Liturgie und Messordnung überhaupt nicht vertraut.

Die Revision der Reform der 1960er-Jahre trifft also in der Realität nur auf kleine Teile der Mitgliedschaft. Dem Großteil wird es egal sein, wo der Pfarrer hinschaut und ob er auf Deutsch, Latein oder Aramäisch ritualisiert. Weil man ja sowieso nicht in die Kirche kommt!

Wir würden Ratzinger vorschlagen, auch die verpflichtende Ohrenbeichte wieder einzuführen und die zurzeit fast totgeschwiegenen Jesusworte über die "ewige Verdammnis" mit Heulen und Zähneknirschen im ewigen Feuer in der Verkündigung wieder regelmäßig einzusetzen. Vielleicht hätten dann die Leute endlich mehr "Ehrfurcht", wenn ein fürchterlicher Gott entsprechende Angst verbreitete?

PS: Die Nachfrage nach der von Ratzinger wieder gestatteten Messen nach dem lateinischen Ritus hat sich allerdings inzwischen als sehr bescheiden herausgestellt.