Debatte ums Kreuz (Standard vom 16.11.09)

Faymann für das Kreuz in der Klasse
Kein Mix der Symbole: Der Bundeskanzler ist fürs Kreuz in der Schule.
FPÖ-Chef Strache will im Falle eines Urteilsspruchs in Österreich ein Volksbegehren starten

Ob er das letzte Wort hat, wird sich weisen. In einem Interview mit der Tageszeitung Österreich sprach sich Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) jedenfalls für die Beibehaltung von Kreuzen in der Schule aus.

"Das Kreuz bleibt in der Klasse. Niemand kann unser Konkordat mit dem Vatikan auflösen. Sollte Gefahr drohen, dass die Kreuze durch Klagen bei Gericht verboten werden, wäre ich dafür, die Konkordats-Regel zum Kreuz in den Schulklassen in die Verfassung aufzunehmen", sagte Faymann.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will laut der Zeitung sogar ein Volksbegehren starten, sollte es auch in Österreich einen Gerichtsbeschluss gegen Kreuze in Klassen geben.

Die Diskussion um Kreuze in der Schulklasse war von Italien ausgegagenen. Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte hatte einen Urteil gegen Kruzifixe in staatlichen Schulen gesprochen, weil sie gegen die Religions- und Bildungsfreiheit in Europa verstießen.

Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser wirft den beiden ein "mittelalterliches Verständnis der Rolle von Staat und Kirche" vor und spricht von der "seltsamen Allianz der Religions-Fundis". Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hätten weder Faymann noch Strache verstanden, mutmaßt Walser: "Die Richter möchten die sogenannte negative Glaubensfreiheit gewahrt wissen, also die Freiheit eines jeden, sich zu keiner Religion bekennen zu müssen".

Soweit der Standard vom 16. November 2009.

Dass ÖVP und CH ("Christenhand") Strache gegen diesen Aspekt des Menschenrechts auf Freiheit von Religion sind, überrascht wenig. Wozu allerdings Bundeskanzler Faymann versucht, ÖVP und FPÖ rechts zu überholen, bleibt unverständlich.

Oder ist es späte Reue? Denn ein Leserbrief in der "Wiener Zeitung" schilderte am 17. 9. 2008 Faymanns unkatholische Jugend:
"(...) Ich war 1983 selbst Zeuge, als der damalige SJ-Vorsitzende Faymann eine Hetzkampagne gegen den Papstbesuch gestartet hat. Bei einem "Anti-Papst-Fest" hat dieser selbst "Papst raus"-T-Shirts verteilt und "Kirchenaustrittsberatungsstellen" eingerichtet. Wie Faymann, der die umfassende Toleranz predigt und andererseits die religiösen Gefühle der Österreicher mit Füßen tritt, glaubwürdig erscheinen soll, ist für mich unbegreiflich!"

Faymann outete sich sofort als gegenreformiert: Denn die OÖNachrichten veröffentlichten am 27.9. eine Befragung der Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien, die erste Frage lautete: Glauben Sie an Gott? Faymanns Antwort: "Ich bin Mitglied der katholischen Kirche und ich bin gläubig."

Hätte besser geklungen, wenn er gesagt hätte: "Ich bin wieder Mitglied der katholischen Kirche, ein Heuchler und Opportunist." Wenn er sich jetzt als Kreuzzügler für verfassungsmäßig abgesicherte katholische Duftmarken in öffentlichen Gebäuden einsetzt, erbringt er für die obige Beschimpfung den Wahrheitsbeweis ...