Bericht im Standard vom 19. Dezember 2009:
Vater sieht
durch Kreuze im Kindergarten das konfessionslose Aufwachsen seiner Tochter verunmöglicht
und zieht vor VfGH
Das Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte (EMRK) bleibt auch in Österreich nicht ohne Konsequenzen.
Jetzt zieht in Niederösterreich ein Vater vor den Österreichischen Verfassungsgerichtshof,
um das christliche Kreuz in Kindergärten anzufechten.
Der Antrag liegt
derStandard.at vor. Der Antragsteller - bekennender Atheist - sieht das konfessionslose
Aufwachsen seiner Tochter durch die Veranstaltung religiöser Feiern und die
Anbringung von Kruzifixen von Seiten des Kindergartens gestört und das Recht
auf Glaubensfreiheit (Art. 9 EMRK und Art. 14 StGG) - und damit das Recht auch
ohne religiöses Bekenntnis aufzuwachsen - verletzt.
Kreuzzeichen auf
Kinder-Augenhöhe
Im Antrag heißt es dazu, dass der Vater und die Mutter
ihr Kind "bis zur Erreichung der Religionsmündigkeit ohne religiöses Bekenntnis,
jedoch weltoffen und dem Pluralismus verpflichtet" erziehen wollen.
Da
die Tochter jedoch bisher an vier religiösen Festen (Erntedankfest, Martinsfest
und zwei Nikolausfeste) inklusive Kirchenbesuch teilnehmen musste und im Aufenthaltsraums
des Kindergartens außerdem ein Kreuzzeichen in Augenhöhe der Kinder hänge, würde
ihr der Eindruck vermittelt, "dass der christliche Glaube in Österreich
dem Staat besonders nahe stehe und demzufolge den privilegierten Status einer
Staatskirche genieße." Die Tochter sei mit einem völlig von der Erziehung
der Eltern abweichenden Bild konfrontiert, das sie - auch aufgrund des sehr
jungen Alters - nachhaltig beeinflussen könne.
Religiöse Bezüge streichen
Konkret
will der niederösterreichische Vater zwei Passagen aus dem niederösterreichischen
Kindergartengesetz geändert bzw. wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben haben:
Einerseits Paragraph 3 Absatz 1, in dem steht, dass das Kindergartenpersonal
einen grundlegenden Beitrag "zu einer religiösen und ethischen Bildung
zu leisten" habe. Hier soll die Wortfolge "religiösen und" gestrichen
werden.
Weiters soll Paragraph 12 Absatz 2 - dass in Kindergärten, in denen
die Mehrzahl der Kinder ein christliches Religionsbekenntnis haben, ein Kreuz
anzubringen ist - fallen.
Keine anderen Kindergärten
Dem Vater
wurde von Seiten des Kindergartens erklärt, dass bei der Vorbereitung auf die
religiösen Feste nicht auf andere Religionen, Weltanschauungen und Religionskritik
eingegangen werde. Ein anderer, privater Kindergarten ohne christlich-religiöse
Feste als Alternative sei in naher Umgebung nicht vorhanden, heißt es im Antrag.
Unterstützung
für den Antrag kommt von diversen atheistischen Organisationen Österreichs.
"Dieser Vater hat unsere volle Unterstützung", sagt etwa Theo Maier
vom Freidenkerbund. "Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert aus Kindern
zwangsweise Katholiken gemacht werden, wie es das Landeskindergartengesetz offenbar
vorsieht." Ähnlich argumentiert Niko Alm von der Giordano-Bruno-Stiftung.
"Leider sind uns viele ähnliche Fälle bekannt. Meist schlucken das die
Eltern aber aus Angst vor Repressalien."
Soweit Anita Zielina und Teresa
Eder im Standard.
Die religiöse Reaktion aus Niederösterreich
erfolgte sofort:
Die für Kindergärten zuständige VP-Landesrätin Johanna
Mikl-Leitner ließ aussenden: "Diesen Kampf für unsere christlichen Werte
und Traditionen nehme ich gerne auf. In Niederösterreichs Kindergärten wird
es weiterhin Kreuze geben. Sie sind in unserem Land Ausdruck von Werten wie
Toleranz, der Umgang miteinander und soziale Kompetenz, die noch niemanden geschadet
haben. Weiters ist die Vermittlung von christlichem Gedankengut in unseren Kindergärten
ein wertvoller Beitrag für die Erziehung und Entwicklung unserer Kleinsten.
Solange ich für die NÖ Kindergärten zuständig bin, wird es auch weiterhin Kreuze,
christliche Feiern und die Vermittlung unserer abendländischen Traditionen geben.
Nicht umsonst ist in unserem, Kindergartengesetz geregelt, dass Kreuze anzubringen
sind, solange die Mehrheit der Kinder Christen sind".
Bei solchem
religiösen Fanatismus für die christliche Zwangserziehung
von konfessionslosen Kindern im Kindergarten kann man nur hoffen, dass die Verfassungsklage
zugelassen und das Gericht im Sinne der Europäischen Menschenrechte urteilen
wird ...
Hier die Klage im Wortlaut.