Missbrauchsopferbilanz

Aus dem ORF-Bericht: Kirchliche Gewalt: Erschütternde Bilanz

Die Unabhängige Hotline für Betroffene kirchlicher Gewalt hat am 24.11.2010 ihren Bericht präsentiert und eine erschütternde Zwischenbilanz gezogen. Scharfe Kritik wurde am Umgang mit dem Missbrauch in der Kirche geübt.

Mehrheit der Täter geweihte Priester. Seit ihrer Einrichtung im März 2010 haben sich bei der kirchenunabhängigen Hotline 325 Betroffene gemeldet - 91 Frauen (28 Prozent) und 234 Männer (72 Prozent). Die Berichte der Opfer ergaben, dass die Mehrheit der Täter geweihte Priester - 264 von 422 bzw. 63 Prozent -, der Rest Ordensfrauen und Mitarbeiter waren.
Zu 78,2 Prozent waren die Täter Männer. Die häufigsten Tatorte waren mit 55,8 Prozent katholische Internate und Heime. Bei den Männerorden werden am häufigsten Benediktiner und Schulbrüder genannt, bei den Frauen die Barmherzigen Schwestern. Mit 59,7 Prozent betreffen die meisten Fälle die 60er und 70er Jahre. Viele der Täter sind verstorben, manche jedoch stehen heute noch im Dienst der Kirche.
59,1 Prozent der insgesamt 482 als Gewaltübergriff zu kategorisierende Handlungen betrafen sexuelle Gewalt (57,2 Prozent), körperliche Gewalt (57,1) und seelische Gewalt (32 Prozent).
Zwölf Prozent der Anrufer waren zu Beginn der Übergriffe sechs Jahre oder jünger. Der Großteil der Misshandlungen (79,5 Prozent) ereignete sich zwischen dem siebenten und 14. Lebensjahr. Die vergleichende Darstellung des Alters bei Buben und Mädchen zu Tatbeginn zeigt, dass die Mädchen zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr besonders gefährdet schienen, Opfer von Gewalt zu werden, während das bei den Buben zwischen dem zehnten und zwölften Lebensjahr der Fall war.
Mit der Hölle gedroht. 40,4 Prozent forderten die Betroffenen auf zu schweigen. Immerhin ein Viertel der Täter drohte mit der Hölle, mit Gewalt oder mit Versündigung, sollten die Kinder über die erlittene Gewalt sprechen. Auch Vergünstigungen wurden oft gewährt.
Unverständnis über Untätigkeit des Staates. Unabhängige Kommission gefordert. Einmal mehr wird eine unabhängige Kommission gefordert. Dass sich der Staat zurückgezogen und die Aufklärung der Kirche selbst überlassen habe, stößt bei der Plattform auf Unverständnis. Damit mache man den "Bock zum Gärtner", so der Psychologe Philipp Schwärzler, Verfasser des Berichts. "In keinem anderen Bereich wäre es denkbar, dass eine in Verdacht geratene Institution selbst die Leitung einer Untersuchungskommission bestimmt", sagte Schwärzler.
Nicht einzelne "schwarze Schafe". "Missbraucher hatten Jobgarantie". Angesichts der Zahlen könne man nämlich nicht von einzelnen "schwarzen Schafen" sprechen, sondern von einem "Versagen der Institution katholische Kirche", so Schwärzler. Es sei jahrelange Praxis gewesen, auffällig gewordene Priester einfach zu versetzen. Dass "Missbraucher eine Jobgarantie" bei der Kirche hatten, sei ein "zutiefst bedrückendes Resümee".

Soweit Auszüge aus dem ORF-Bericht, der komplette Bericht der Opfer-Hotline kann hier als PDF downgeloaden werden. Der Skandal, dass die Republik Österreich der Täterorganisation erlaubt, die Abwicklung selbst zu übernehmen, bleibt aufrecht. Die Kommission der Frau Klasnic ist eine christkatholische Kommission, die sich mit der Abwicklung von innerhalb der christkatholischen Kirche begangener Verbrechen befasst. Die Opfer werden von dieser Kommission damit unter Druck gesetzt, sie könnten bescheidene finanzielle Entschädigungen auch dann erhalten, wenn die Straftaten formal als verjährt erschienen, wenn Opfer sich allerdings auf den Klageweg einließen, könnte es sein, dass sie gar nichts erhielten.
Die nichtkatholischen Opfervertreter sind allerdings der Ansicht, dass keine Verjährungen stattgefunden hätten, weil der katholische Kirchenapparat durch die Vertuschung der Straftaten, Beschützung der Täter und Unterdrucksetzung der Opfer die Fortsetzung von Straftaten ermöglicht hätte, Verjährungen also gar nicht passiert wären. Was zweifellos rechtlich geklärt werden müsste. Aber nicht durch eine kircheneigene Kommission!