Ein Bericht aus dem Antifaschistischen Infoblatt Nr. 85, Berlin
Die
vernetzte Lobbyarbeit der Evangelikalen: Im Sommer diesen Jahres war der ZDF-Journalist
und bekennende Evangelikale Peter Hahne gleich für zwei Personalien im Gespräch:
als nächster Chefredakteur seines Fernsehsenders oder als nächster Ratsvorsitzender
der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Während sich letzteres schnell
als Gerücht erledigt hatte, können die evangelikalen Medien-Netzwerke noch auf
einen der Ihren an der Spitze des ZDF hoffen. Denn immerhin dirigiert Hessens
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) den politisch motivierten Angriff auf den
geschassten Chefredakteur Nikolaus Brender.
Peter Hahne, Leiter des
ZDF-Hauptstadtbüros, ist sicher der prominenteste Medienmann aus dem Kreis der
evangelikalen Sammlung in Deutschland, der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA).
Die Evangelikalen insgesamt werden seit einiger Zeit von der Öffentlichkeit
stärker beachtet, was nicht zuletzt an ihrer medialen Präsenz liegt. So ist
der Einfluss der evangelikalen Kreise innerhalb der evangelischen Kirche nach
Meinung vieler BeobachterInnen gewachsen, nicht zuletzt durch die freundliche
Haltung des bisherigen EKD-Vorsitzenden, Wolfgang Huber. Die bibeltreuen Kreise
versprechen mehr Missionsarbeit und eine "Neuevangelisierung" Deutschlands,
die wohl die gesamte EKD gerne sehen würde. Aber es ist gerade die aggressive
Missionierung Andersgläubiger und Andersdenkender in Deutschland und im Ausland,
die auch deutliche Kritik und Widerstände hervorruft.
Evangelikale Kreise
beteiligen sich an den anti-feministischen Kampagnen gegen das Recht auf Abtreibung,
wie die sogenannten "Märsche für das Leben", die in mehreren Städten
durchgeführt werden. Diese waren nach langen Jahren erstmals mit kräftigem Widerspruch
konfrontiert und forderten die "Krisen-PR" der ultrarechten ChristInnen
heraus. Die Arbeitsweise des evangelikalen Netzwerkes wird auch an der jüngsten
medialen Auseinandersetzung deutlich. Sie entbrannte an der Zulässigkeit christlicher
Missionsarbeit in Krisenregionen. Im Juni 2009 waren zwei deutsche "Bibelschülerinnen"
im Jemen ermordet worden, die wohl neben ihrer karitativen Arbeit auch missioniert
hatten. Das Nachrichtenmagazin "Frontal 21" (ZDF) kritisierte in einem
Beitrag die aggressive Propaganda der Entsendeorganisation und verglich die
Bereitschaft, für einen Gott zu sterben, mit islamischem Fundamentalismus. Dies
sorgte für evangelische Proteste bis hinein in die EKD. Dabei reagieren die
Evangelikalen vor allem auf den Vorwurf des Fundamentalismus reflexartig empört.
"Gezielte Rufmordkampagne", "böswillige Unterstellung" und
"wie einst in der DDR", so die Kommentare in ideaSpektrum.
Erste
Adresse der Empörung sind die Medienanstalten selbst, aber vor allem die EKD.
Deren Reaktion kann die Kritik multiplizieren oder - wie hier geschehen - ihr
die Spitze nehmen. Die evangelikalen Kreise setzen auf die Wirkung ihrer Netzwerke.
Zu den Aktivitäten der DEA gehört seit gut dreißig Jahren auch die Bündelung
ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu wurde 1980 die "Konferenz Evangelikaler
Publizisten (KEP) e.V." gegründet, die sich 1999 den geschmeidigeren Namen
"Christlicher Medienverbund KEP e.V." gab. Das Ziel der Gründung war
es, durch die "Koordination der bisherigen evangelikalen Öffentlichkeitsarbeit
(...) eine wirkungsvolle und sachkompetente Vertretung der evangelikalen Bewegung
in den Massenmedien" zu erreichen. Schon Anfang der 1980er Jahre stieß
der junge Peter Hahne dazu und verließ den Verband erst 2008; ein Umstand, der
seltsamerweise weder von Hahne noch von der KEP jemals erwähnt wird.
Es
fällt bisweilen schwer, Medien und Macht voneinander zu unterscheiden, wenn
man sich den "Christlichen Medienverbund" betrachtet. Ein ZDF-Chefredakteur
gehört bisher nicht dazu, die Reihe der einflussreichen Mitglieder - laut KEP
"Journalisten, Publizisten, Verleger und Vertreter von Medienorganisationen"
- ist dennoch beachtlich. Fangen wir bei der Politik an. Neben der Abgeordneten
des sächsischen Landtages Uta Windisch sind einige andere CDU-Mitglieder dabei:
Christoph A. Zörb aus Ehringshausen (Hessen), seit Februar 2009 Sprecher der
hessischen Umweltministerin, oder Christoph Weirich, seit Juli 2009 Pressesprecher
der hessischen CDU-Fraktion. Das Unternehmen Deichmann Schuhe ist vertreten,
die Stiftung Christlicher Medien (SCM), die Verlage Hänssler, Brunnen und Johannis.
Hinzu kommen diverse Pastoren und Professionelle der evangelikalen Strömungen
in Deutschland wie der Generalsekretär der DEA, Hartmut Steeb, oder der Direktor
des Evangelium-Rundfunks ERF, Jürgen Werth. Bleiben die JournalistInnen. Vertreten
sind die Westdeutsche Zeitung (Cornelia Breuer-Iff), die Hamburger Morgenpost,
die Welt (Edgar S. Hasse), das ARD-Hauptstadtstudio (Markus Spieker), der Mitteldeutsche
Rundfunk.
Ein echtes Schwergewicht im Vorstand der KEP ist der einflussreiche Prof.
Dr. Wolfgang Stock (Woltersdorf bei Berlin), der als aktuelle Funktion "geschäftsführender
Vorstand der Convincet GmbH" angibt. Stock verkörpert geradezu die Verquickung
von Medien, Marketing und politischer Meinung: "Als Universitätsprofessor
für Journalistik beherrscht er (...) die Meta-Ebene der politischen Kommunikation
und des Agenda Setting", so der Klappentext zu einem seiner Bücher. Zu
seinen Tätigkeiten gehörten oder gehören Lehraufträge an verschiedenen Universitäten,
"PR-Berater", "Merkel-Biograf", "Macher des Merkel
Podcasts" und einiges mehr. Stock war Journalist bei FAZ, Welt, Focus und
Berliner Zeitung. Er berichtete für "Die Welt" aus Polen und war gleichzeitig
"stark in der Paneuropa-Bewegung Otto von Habsburgs engagiert". Nach
zwanzig Jahren hat er seine Erfahrungen aus dem Business zum Grundstock seiner
Beratungstätigkeit für Wissenschaft, Unternehmen und Politik gemacht. Christlicher
Politik selbstredend, Stock ist Mitglied der CDU.
Weltfremde Spinner
also sind diese Kreise ganz und gar nicht, ein Eindruck, der bei manchen Medienberichten,
vor allem z.T auch in linken Publikationen, durchaus entstehen kann. Deutlich
ist das Gespür dafür, wo Meinung gemacht werden kann und politische Positionen
entschieden werden: in den Zentren der Macht. Dafür wirkt unter anderem die
KEP mit ihrer journalistischen Tagesarbeit. Mit den Worten der Vorsitzenden:
"(...) Netzwerke verdichten, Gebetskreise unterstützen, Nachwuchsjournalisten
fördern (...), die Seminararbeit unterstützen: "Gottes Fußvolk" muss
professionalisiert werden." Wer zu Gottes journalistischer Seilschaft gehört,
sollte aufmerksam beobachtet werden.