Zunehmend spitzt sich die katholische Agitation und Propaganda zur Frage
Kindesmissbrauch auf den Zölibat zu. Selbstverständlich auf die Weise, dass
von katholischen Funktionären kühn und frech behauptet wird, der Zölibat habe
nichts damit zu tun.
Der deutsche Chefbischof Zollitsch weiß es ganz
genau: der Zölibat ist nicht Teil des Problems, "nach Ausweis aller
Fachleute haben pädagogische Übergriffe und sexueller Missbrauch mit dem Zölibat
nichts zu tun." Und: "Wir werden natürlich, wenn der Zölibat angegriffen
wird, darüber nachdenken, wie wir das verständlich machen können."
Wer
diese "Fachleute" sein sollen, sagt Zollitsch nicht. Vermutlich sind
es andere alte Kleriker, denen - altersbiologisch bedingt - ein Viertel Messwein
lieber ist als ein Geschlechtsverkehr. Es sei also nicht über den widernatürlichen
Zölibat zu diskutieren, sondern dieser müsse bloß "verständlicher gemacht"
werden.
Papst Ratzinger weiß es noch besser: Der "heilige
Zölibat" sei ein "kostbares Geschenk" und "Zeichen der vollständigen
Hingabe an Gott", sagte er bei einem Treffen mit Teilnehmer einer Tagung
der Kleruskongregation am 12.3.2010 im Vatikan.
Ein "kostbares Geschenk"?
Weil dann so manche Kleriker ihre Liebe kleinen Kindern schenken können? Und
wenn es ein "Zeichen der vollständigen Hingabe an Gott" ist, warum
zwingen dann Zölibaten Kinder zur Hingabe an sich?
Der Salzburger
Erzbischof Alois Kothgasser sprach sich am 11.3. in der ORF-Sendung "Salzburg
heute" für eine Diskussion über den Zölibat aus. "Die Zeiten
und die Gesellschaft haben sich verändert. Und deswegen wird die Kirche überlegen
müssen, wie sie diese Lebensform weiterpflegen kann, oder was sie verändern
muss".
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke meinte
am 12.3. im Deutschlandfunk, der Zölibat sei als solches nicht die Ursache.
Allerdings könne die zölibatäre Lebensform Menschen anziehen, die
"eine krankhafte Sexualität haben - und dann mag da eine Gefahrensituation
gegeben sein". Im Inforadio des NDR plädierte Jaschke für einen offeneren
Umgang mit Sexualität in der katholischen Kirche. Zölibatäres Leben "kann
nicht heißen, dass man Sexualität unterdrückt oder verdrängt - man muss offensiv
an diese Fragen herangehen".
Schönborn hatte versucht, die Frage
Zölibat in die Debatte einzubeziehen (".. dazu gehört das Thema Zölibat
genauso wie das Thema Persönlichkeitsentwicklung. Und dazu gehört eine große
Portion Ehrlichkeit, in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft").
Das
war offenbar ein Zuviel an Ehrlichkeit, denn Schönborn ruderte wieder zurück:
Am 12.3. meinte er: "Wenn der Zölibat der Grund
für sexuellen Missbrauch wäre, dürfte es überall dort, wo es den Zölibat nicht
gibt, auch keinen Missbrauch geben". Er selbst habe nicht den
Zölibat infrage gestellt. In seinem Kommentar für das Wiener diözesane Mitarbeitermagazin
"thema kirche" (Ausgabe vom 10.3.) habe er vor allem auf die Priesterausbildung
abgezielt.
Wie es allerdings kommt, dass es in Deutschland, wo die
katholische und die evangelische Kirche ungefähr gleich stark sind, nur ganz
selten Anschuldigungen
gegen nichtzölibatäre evangelische Geistliche gibt, wird der Herr Schönborn
schwer erklären können. Seinem Argument könnte man das folgende Gleichnis entgegenhalten:
Wenn Alkoholgenuss der Grund für Verkehrsunfälle wäre, dürfte
es überall dort, wo es keinen Alkoholgenuss gibt, auch keine Unfälle geben.
Eine Internet-Umfrage der OÖNachrichten brachte am 15.3. den Endstand: 77,48
% der Abstimmenden waren der Meinung, die Reaktion der katholischen
Kirche auf die Missbrauchsvorfälle reiche nicht aus. Inzwischen werden bei den
staatlichen Behörden deutliche Anstiege der Kirchenaustritte registriert, mit
ihrer törichten Art des Umganges mit den nun aufgekommenen sexuellen Vergehen
und Verbrechen macht die katholische Kirche selber die beste Propaganda für
den Austritt. Speziell Menschen, die im Alltag sowieso keine religiösen Interessen
haben, werden dadurch hochmotiviert.
Vorwärts! 2010 muss ein neues Austrittsrekordjahr
werden!
Die römische Zeitung La Repubblica schrieb übrigens am 12.3.:
Vatikan arbeitet an Geheimplan zur Zölibat-Abschaffung
Auch im Vatikan
werde insgeheim über die Möglichkeit einer Abschaffung des Zölibats für Priester
und Ordensleute diskutiert. Nach Angaben der Tageszeitung überlegt der Vatikan in einer weiten Zukunft, die
in Jahrzehnte gemessen wird, die Zölibatspflicht abzuschaffen. Den streng geheimen
Auftrag, über einen Weg dahin nachzudenken, sei einigen hochrangigen Vertretern
der Kleruskongregation unter der Leitung von Kardinal Claudio Hummes anvertraut
worden. Laut anonymen Quellen der Zeitung könnte es in den nächsten 50
Jahren tatsächlich zu einer Abschaffung der Zölibatspflicht kommen.
Wozu
einem abschließend zwangsläufig der alte Witz einfallen muss: Zwei Priester
reden über die Abschaffung des Zölibates und kommen zum Schluss: Wir werden
das nicht mehr erleben, aber vielleicht unsere Kinder ...