Das nächste Problem der Heuchlerkirche

Die Heuchelei ist zweifellos eine moralische Grundlage im Tun und Handeln der katholischen Kirche. Das fängt schon bei banalen Dingen an, das Fleisch vom Fisch ist kein Fleisch, sondern eine Fastenspeise. Nachdem jetzt die Vertuschung bezüglich Kinderschändungen und körperlicher Gewalt nicht mehr aufrecht zu erhalten, die diesbezügliche Heuchelei also gescheitert ist, steht der katholischen Kirche in Österreich möglicherweise das Öffentlichwerden eines weiteren Heuchlerproblems bevor.

Im Profil Nr.16 (18. April 2010) wird über die von der Kirche verleugneten traumatisierten Frauen und Kinder, die Opfer des Zölibats sind, berichtet, siehe http://www.profil.at/articles/1015/560/266634/ohne-namen-vaters-frauen-kinder-opfer-zoelibats. Es könnten sich daher im jetzigen Aufbruchszustand nun auch Opfer der katholischen Sexualheuchelei zu Wort melden.

Im Körper der meisten Menschen werden eben Sexualhormone produziert, die körperliche und seelische Bedürfnisse auslösen. Die körperlichen Bedürfnisse lassen sich zwar nicht "außischwitzn", aber auch mit sich alleine befriedigen. Das Bedürfnis nach menschlicher und körperlicher Nähe kann allerdings nicht mittels handgreiflicher Nähe zu sich selber befriedigt werden. Die katholische Kirche muss zu diesem Thema noch weitaus mehr heucheln als zum Thema der Kinderschändungen, weil einvernehmliche zwischenmenschliche Beziehungen von Klerikern ja naturgegeben weitaus häufiger sind als sexuelle Übergriffe.

Der Zölibat zieht einerseits Menschen an, die es aus verschiedenen Gründen vermuten, ohne Familie leben zu können. Das betrifft etwa Asexuelle, diese Gruppe ist sicherlich die für das zölibatäre Leben am besten geeignet. Für Homosexuelle war der Zölibat aus zwei verschiedenen Zugängen attraktiv, einerseits für junge Männer, die sich ihrer sexuellen Orientierung noch gar nicht bewusst waren, andererseits für solche, die ihre Orientierung verbergen wollten. Das Letztere war ein wichtiges Anliegen für Homosexuelle, zwar wurde 1971 in Österreich das Totalverbot aufgehoben, aber die öffentliche Akzeptanz dafür hatte noch einen weiten Weg vor sich. Aus den USA gibt es Schätzungen, dass zwischen 25 und 50 Prozent der katholischen Priester homosexuell seien.

Die heterosexuellen Priester, die ihr Leben nicht nur durch die Liebe zu Jesus und zu sich selber zu führen in der Lage sind, müssen daher ein sehr hohes Maß an Heuchelei aufbringen. Aber nicht nur sie, sondern auch ihre Freundinnen, ihre Lebensgefährtinnen, ihre Kinder. Man erinnere sich an die Geschichte um den Ungenacher Pfarrer Friedl, der sich im Frühjahr 2009 als Familienmensch outete. Er wurde deshalb als Dechant abgesetzt und aufgefordert, sein "sündhaftes" Leben aufzugeben. Herausgekommen ist letztlich eine bemerkenswerte Variante der diesbezüglichen Heuchelei: Am 17. Juli 2009 war den OÖNachrichten zu entnehmen, dass die Angelegenheit erledigt sei. Allerdings war nicht zu erfahren, wie. Denn der befragte Pfarrer Friedl sagte, er halte sich nach fünf Gesprächen mit dem Bischof an die getroffene Abmachung, nichts mehr darüber zu sagen. "Ich habe für mich alles geklärt. Mein Privatleben ist privat."

Es wäre ein Heidenspaß, wenn LebensgefährtInnen von Priestern nun die Gunst der Stunde nutzten, um das verlogene katholische System öffentlich bloßzustellen. Die Kirchenmitglieder in den Pfarrgemeinden wissen ja sowieso Bescheid, auch im Dechanat und in der Diözese kennt man eine Vielzahl dieser Fälle. Das heißt aber: noch kennt man sie nicht offiziell, daher kann man sie wegheucheln. Aber was wird man machen, wenn das scheinheilige Heucheln nimmer hilft?