Zölibat als Segen und Fluch

Der Linzer Bischof Schwarz hat in einem Interview mit den OÖNachrichten zu seinem 70. Geburtstag gemeint, der Zölibat sei ein Segen für die Kirche, aber kein Gebot Gottes, sondern eine weise Empfehlung, die der Herr der Kirche gegeben habe, grundsätzlich könne man das ändern, das müsse aber der Papst gemeinsam mit allen Bischöfen beschließen. Was übersetzt heißt, der Zölibat ist nichts Unveränderbares, sondern abschaffbar und Bischof Schwarz hätte vermutlich nichts gegen eine Abschaffung.

In den OÖN vom 4. Juni 2010 schreibt Ludwig Puchinger, ein Magister der Theologie aus Gallneukirchen, in einem Leserbrief:
"Segen und Fluch.
Als frei angenommene "Gnadengabe" ist der Zölibat für die Kirche ein Segen. Der "Pflichtzölibat" als unbedingte Voraussetzung für den Priesterberuf wird aber immer mehr zur Last, zum Kreuz und zum Fluch für die Betroffenen und für die Kirche.
Er ist Hauptgrund für den Priestermangel, bringt Angst und Leid über die oft versteckten "Priesterfrauen" und "Priesterkinder", lähmt im Falle des Scheiterns an dieser Forderung den Arbeitsschwung der Betroffenen und löst bei ihnen nicht selten Depressionen und Alkoholismus aus, trägt zum Verlust der Glaubwürdigkeit der Kirche bei und hat Anteil an den sexuellen Missbrauchsfällen, weil er die Entwicklung einer gesunden Einstellung zur Sexualität behindert."

Das ist kurz und treffend zusammengefasst das innerkirchliche Problem mit dem Zölibat. Die katholischen Kirchenreformer vermeinen nun gerne, die Abschaffung des Zölibates würde die Probleme mit dem Publikum bereinigen. Was sicher nicht zutrifft. Die Evangelischen haben diesbezügliche Probleme nicht, dort gibt es keinen Zölibat, auch weibliche Priester und die Kirche hat sogar eine demokratische Struktur. In der BRD sind beide Kirchen ungefähr gleich stark (2007: 30,1 % evang., 31 % kath.). Die deutschen Kirchenaustritte liegen jedoch durch die Jahre bei den Evangelischen deutlich höher, so traten 2007 131.000 Evangelische und 93.667 Katholiken aus, 2008 waren es 168.901 und 121.155. Dadurch hat in den letzten zehn Jahren die kath. Kirche die evangelische mitgliedermäßig überholt. Mehr Liberalität bringt nicht mehr Mitglieder, sondern mehr Beliebigkeit und dadurch weniger Bindung und leichteren Austritt.

Stur und konservativ zu sein, hat der katholischen Kirche bisher genutzt. Auch in Österreich lagen die evangelischen Austritte auf den Mitgliederbestand gerechnet fast immer zum Teil sehr deutlich über den katholischen Austritten. 2009 war das knapp nicht so und heuer wird es auch nicht so sein. Die rigorosere Religion bindet ihre Mitglieder besser, weil es sozusagen "weniger wurscht" ist, wenn man als Mensch mit doch irgendwie religiösen Denkbestandteilen aus der katholischen Kirche austritt. Die katholische Kirche hat allerdings in den letzten Jahrzehnten in ihrer Verkündigungspraxis diesbezüglich stark nachgelassen, wie der evangelische Jesus ist auch der katholische Jesus ein fast nur noch ausschließlich "lieber Jesus" geworden, der niemanden mehr in die Hölle schmeißt. Somit nimmt die Gottesfurcht ab und der Abscheu vor den katholischen Zuständen zu. Vielleicht schafft dadurch die katholische Kirche auf Dauer den Turnaround und wird die führende Austrittsgemeinschaft! Verdient hätte sie es!