Die Missbrauchsfälle und ihre Folgen

Kirchenaustritte

Die katholischen Bischöfe Österreichs beraten vom 21. bis 23. Juni 2010 die Lage nach dem Auffliegen der katholischen Missbrauchsfälle. Dabei wird der Öffentlichkeit wieder die Zahl von heuer zu erwartenden 80.000 Austrittsfällen präsentiert. Diese Zahl wurde bereits im Mai (siehe Info Nr. 185) genannt. Nach kirchlichen Angaben sind bis 31. 5. etwas über 40.000 Mitglieder aus der katholischen Kirche ausgetreten. Es hat daher momentan keine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass es bis Jahresende tatsächlich 80.000 werden, da die über die Missbräuche besonders Verärgerten ja wohl mit dem Austritt nicht monatelang warten werden. Die kirchliche Zahl von 80.000 könnte also mit der Absicht gesetzt worden sein, am Jahresende sagen zu können, "Gott sei Dank, es sind eh nur 69965". Oder so. Aber die katholische Kirche sollte auch einmal echt Recht haben: daher ein Appell an die Leute, die nicht wirklich gläubig sind und es noch nicht getan haben: AUSTRETEN!

Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak äußerte am 21.6. im Radio, dass das Ansteigen der Austrittszahlen auch eine Folge des gesellschaftlichen Wandels sei. Bis vor wenigen Jahrzehnten sei es normal und selbstverständlich gewesen, zur Kirche zu gehören. Die Änderung dieses Verhaltens sieht die Theologin auch als Folge der früheren Vormachtstellung der Kirche. Diese habe sich dadurch wenig um "Fragen spiritueller Sorge und die Verwurzelung des Einzelnen in der Kirche" gekümmert. Dadurch gebe es nun "zu wenig Tiefengründe" für das Bleiben. Die Kirche sollte die Krise als Chance sehen "sich ihrer biblischen Wurzeln zu besinnen", ein großes Problem sei allerdings, dass nur noch vier Prozent der Jugendlichen konkret religiös aktiv seien.

Allerdings hat auch Frau Polak den üblichen katholischen Reflex, dass sie vermeint, die Abkehr von der christkatholischen Religion habe etwas damit zu tun, dass das Angebot der Religion den Menschen zuwenig nahe gebracht würde. Das ist es nicht, das Angebot ist einfach so lebensfern, irreal und unvernünftig, dass man eine starke traditionelle familiäre Prägung bräuchte, um diese Religion als Lebensbestandteil wahrzunehmen und zu akzeptieren. Wer als Kleinkind in der Familie nicht religiös erzogen wird, hat als Heranwachsender keine religiösen Bedürfnisse, geht also nicht in die Kirche und befasst sich auch nicht mit religiösen Fragen. Wenn man will, könnte man sagen, diese Menschen sind in der Regel unreligiöser als ein Atheist, weil der setzt sich zumindest kritisch mit Religionen auseinander!

Entschädigungszahlungen

Als weitere Folge kommen die finanziellen Entschädigungsforderungen der Missbrauchsopfer auf die katholische Kirche zu. Werner Schostal, der Anwalt der Betroffenen, legte am 22. Juni 2010 deren Forderungen vor: Mindestzahlung von 15.000 Euro für jedes Opfer, je nach Schwere der Übergriffe bis zu 130.000 Euro. An alle Opfer soll ohne Verzögerungen ein Akonto von 15.000 Euro ausbezahlt werden. Ebenso sollen alle Therapiekosten von der Kirche übernommen werden, auch die von den Opfern getragenen. Die katholische Kirche habe nichts gegen die Übergriffe unternommen und setzte damit "ein objektiv pflichtwidriges und daher schuldhaftes Verhalten" und habe überdies als Erfüllungsgehilfe bei Fällen von Missbrauch mitgewirkt, weil sie einschlägige Geistliche bewusst weiter einsetzte, daher finde auch keine Verjährung statt. Die Forderungsbeträge richten sich in der Höhe nach den Zahlungen in Irland (die dort allerdings weit überwiegend aus der Staatskasse erfolgten). Für den Beginn richtete Schostal ein Schreiben mit je einen exemplarischen Fall an sechs Diözesen und verlangt binnen zehn Tagen eine Antwort. 131 Personen sind bereit, gegen die Kirche entsprechende Klagen einzubringen, wenn die katholische Kirche auf die Forderungen unzureichend reagiert (siehe auch Info Nr. 204).

Gut so! Die kirchlichen Opfertante Klasnic wird so keine Chance haben, die Folgen der Missbrauchstaten kirchenintern zu regulieren und die katholische Kirche mit salbungsvollem Gerede materiell möglichst herauszuhalten.