Schulbuchzensur in Bayern

In Deutschland veröffentlichte der Berliner Cornelsen-Verlag ein Englischbuch, in dem ein kritischer Text zu den Evangelikalen in den USA zu finden war. In dem Kapitel "Fundamentalismus in Amerika" schrieb die Atheistin und Journalistin Susan Jacoby, dass "ein unbestreitbarer, starker Zusammenhang zwischen religiösem Fundamentalismus und einer fehlenden Bildung" besteht. Jacoby tritt für den Säkularismus ein und kritisiert den in den USA herrschenden Antiintellektualismus und das schlechte Bildungssystem im öffentlichen Bereich. Eines ihrer Bücher heißt "The Age of American Unreason" (Das Zeitalter der amerikanischen Unvernunft).

Das Bayerische Kultusministerium sah im Text von Jacoby eine "einseitige Darstellung" und berief sich auf den Artikel 131 der Bayrischen Verfassung: "oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen", daher dürfe nicht in einem Schulbuch stehen, Fundamentalismus und fehlende Bildung hingen zusammen. Das religiöse Leben in den USA würde einseitig dargestellt und interpretiert. Bayern verweigerte die Approbation des Schulbuches, der Verlag ging in die Knie und entfernte den Jacoby-Artikel.

Als Ersatz stehen nun Beiträge über die Puritaner, Obamas Meinung zur Trennung von Staat und Religion und ein theologischer Artikel über den Unterschied zwischen konservativen und liberalen Christen. Der Versuch des Verlages mit dem Beitrag von Jacoby "die kritische Auseinandersetzung von Oberschülern mit dem Thema Religion in den USA zu fördern", fiel somit bayrischer Zensur, dem Eifer christlicher Fanatiker und Extremisten zum Opfer.

Im deutschen Grundgesetz steht im Artikel 5 "eine Zensur findet nicht statt", in Bayern des 21. Jahrhunderts findet in Schulbüchern eine Zensur sogar dann schon statt, wenn seltsame christliche Strömungen in einem fernen Land kritisch betrachtet werden. Auch die Ehrfurcht vor amerikanischen Fundi-Göttern hat bayrischen SchülerInnen eingepaukt zu werden. Religiöse Fanatiker und Narren wie im Bayrischen Kultusministerium sind eine Gefahr für die Demokratie im säkularen Europa!


Im 19. Jahrhundert wurde die Zensur bekämpft, in Deutschland und Österreich auch abgeschafft. Geblieben ist bis ins 21. Jahrhundert die Zensur aus religiösen Gründen. Man erinnere sich an die ORF-Zensur einer Kabarettsendung im Mai 2010, die sich mit den katholischen Missbrauchsfällen befasste, siehe Info Nr. 174! Und man erinnere sich an die in verschiedenen Staaten immer noch gültigen Blasphemiegesetze! Z.B. an den Paragraph 188 im österr. Strafgesetzbuch!