Bei uns wird oft der Eindruck hervorgerufen, als habe nach dem Zusammenbruch
der Sowjetunion im jetzigen Russland die russisch-orthodoxe Religion wieder
voll ins Geschäft einsteigen können. In einem Interview mit einem führenden
Funktionär der Russisch-Orthodoxen namens Georgij Mitrofanov aus Petersburg,
das in der Schweiz vom Verein "Glaube in der 2. Welt" auf deutsch
veröffentlicht wurde, wird die Situation realistischer dargelegt. Danach
sind von den 145 Millionen Einwohnern Russlands bloß ein Viertel Mitglied in
einer christlichen Religionsgemeinschaft, 35 Millionen sind russisch-orthodox,
rund 250.000 evangelisch, eine halbe Million katholisch, und ca. eine weitere
halbe Million gehört diversen christlichen Kleingruppen an. Somit hat offenbar
der Kommunismus auch in Russland was Brauchbares hinterlassen.
Mirofanoc
schimpft natürlich darüber, er beschimpft auch die Kirchenmitglieder als "getaufte
Gottlose", die nicht in die Kirche gingen. Man habe nach dem Ende der UdSSR
die Illusion gehabt, die Menschen wären wegen der kommunistischen Herrschaft
den Kirchen ferngeblieben, die Kirchen wären jetzt frei, aber nur ein kleiner
Teil ginge regelmäßig zum Gottesdienst. Die Priester wären schlecht ausgebildet
und lebten vom Verkauf religiöser Riten. Die Kommunisten hätten den Typus des
"neidischen Habenichts" geschaffen, jetzt seien für die Menschen die
materiellen Werte das Wichtigste im Leben. Die Kirche sähe man so: "hier
kriegt man für Geld sein Auto gesegnet, sein Baby getauft, seinen Toten beerdigt.
Mehr will man ja nicht von einem Priester", für die heutigen Priester sei
die Kirche oftmals nicht eine Gemeinschaft von Menschen, in der man eins in
Christus ist.
Also auch in Russland: nicht eins mit Jesus, sondern Jesus ist einerlei!