ORF: Verschiebungsskandal

Am 13. Dezember 2010 um 21h57 ging die Info Nr. 356 mit der Frage "Zensurskandal im ORF?" online. In der Sendung "Thema" fehlte nämlich der Beitrag "Gewalt und Missbrauch in der Kirche - eine Bilanz", warum der Beitrag, der am 12. 12. noch angekündigt worden war, plötzlich weg war, konnte der ORF-Kundendienst selbst nach Beginn der Sendung nicht erklären, siehe Info Nr. 356.

dieser Beitrag wurde am 13.12.2010 nicht gesendet

Inzwischen ist folgendes durchgesickert:

Der Beitrag sei aus dem Programm genommen worden, weil kurzfristig ein anderer Beitrag (über die verschwundene Anita K. und deren mutmaßliche Ermordung) erweitert worden wäre. Was einmal kräftiges Gelächter hervorrufen darf: Es waren ursprünglich vier Themen vorgesehen. Okay, wenn das Thema Nr. 1 ausgeweitet wird, dann kann man dafür ein anderes Thema aus der Sendung nehmen. Etwa das Thema "Illegale Geschäfte mit Welpen aus Osteuropa" oder das Thema "Das Geheimnis der Wiener Schneekugel". Nein, diese Themen waren gänzlich unverschiebbar. Das Thema "Gewalt und Missbrauch in der Kirche" hingegen, das konnte von einer Stunde auf die andere vom 13. Dezember auf den neuen Termin am 11. Jänner 2011 verschoben werden.

Als weiterer Grund war zu vernehmen:
Der Thema-Redaktion sei das Thema Missbrauch so ein wichtiges Anliegen, dass dieses nicht im Schatten des Berichtes über Anita K. stehen dürfe. Der Schatten muss sich schlagartig ausgebreitet haben, weil bis zum 12.12. lag er noch nicht vor. Die Sache könnte sich auch so dargestellt haben: In der Sendung "Thema" zwei Missbrauchsthemen? Das Erste über einen Mann, der jahrelang zwei Mädchen missbraucht haben dürfte, das Zweite über die katholische Kirche, wo zahlreiche Priester zahlreiche Kinder missbraucht haben.

In dieser Abfolge wäre das Kirchenthema das ungleich ungutere gewesen. Der Annahme, die Verschiebung wäre erfolgt, weil die heilige römisch-katholische Quasi-Staatskirche das österreichische Staatsfernsehen hat wissen lassen, ein kirchenkritischer Bericht im Verbund mit einem weiteren Missbrauchsbericht und das in der Vorweihnachtszeit gefährde die katholische Weihnachtsstimmung und das Ansehen der heiligen römisch-katholischen Kirche, erteilt der ORF jedenfalls auf Anfrage beim Kundendienst keine Zustimmung. Warum die Sendungspräsentatorin Andrea Puschl diese Verschiebung mit keinem Wort erwähnte, bleibt ein Rätsel. Und daher ergibt sich die Vermutung, auch die Erwähnung von "Gewalt und Missbrauch in der Kirche" in der Vorweihnachtszeit wäre dem Herrn Kardinal und seinen frommen Männern höchst unpassend erschienen.

Man könnte sich zur Annahme verleitet sehen, der ORF kröche vor den Kirchenmännern und zöge eine breite Schleimspur bis zum 11. Jänner. Vielleicht ließe sich ja bis dahin auch der Missbrauchsbeitrag ein bisschen frommer formulieren?