87.393 Austritte - Teil 2

Direkt stolz war er zwar darauf nicht, der österreichische Oberkatholik Schönborn, aber er hatte zu den 87.393 Kirchenaustritten sofort eine passend katholische Rechtfertigung bei der Hand:
Die Austreter waren eben keine festen Katholiken: Er sieht die Austritte als Zeichen neuer Freiheit in der Entwicklung vom Traditionschristen-Christentum zum Entscheidungschristentum. Er meint damit, die Mitglieder Ende 2009 vermindert um die Austritte, ergäben die Zahl der "Entscheidungschristen". Die sind dann vorsätzlich katholisch und nicht bloß unfreiwillig wegen der Babytaufe.


Kardinal Schönborn in ZiB 2 am 11.1.2010

Auweh, da wird er Probleme haben, der Herr Kardinal, weil 2011 müssten dann die Austrittszahlen ins Bodenlose stürzen, weil die freiwilligen "Entscheidungschristen" treten nicht aus! Er verschwendet keinen Gedanken daran, dass siebzig, achtzig Prozent der verbliebenen Kirchenmitglieder auch weiterhin nie in die Kirche gehen, kein Vaterunser beten, am Freitag lieber Schnitzel als Fisch essen (außer wenn's in der Kantine sonst nix gibt), das ganze Jahr an den lieben Jesus keinen Gedanken verschwenden, den Mitgliedsbeitrag jedoch nur mit Heulen und Zähneknirschen zahlen. Weil die Oma, die Mama, die Erbtante sonst gekränkt wären. Oder weil der Chef Pfarrgemeinderat ist. Oder weil im Dorf ein Unkatholischer wie ein homosexueller SPÖ-Wähler behandelt würde. Oder weil er den Glauben des "Herrn Karl" hat, "i bin katholisch, owa ned sehr, i glaub an ein höheres Wesen, an eine Macht die uns leitet". Da weiß man ja nie. Das höhere Wesen könnte ja wirklich so bösartig sein, wie die Oma und der Herr Katechet erzählt haben: nur die katholische Kirche bringt das Heil, alle anderen müssen ins ewige Feuer und dort heulen und zähneknirschen auf immerdar. Da zahlt man lieber seine 100, 200 Euro. Man kann sie ja glücklicherweise dank des katholischen Staates und seiner katholischen Regierung eh von der Steuer abschreiben.

Aber diese Probleme bessern sich von Jahr zu Jahr, tiefgläubige Omas wechseln ins ewige Leben und religiös uninteressierte Enkel lassen ihre Kinder nimmer taufen. Für die paar Dutzend Pensionisten bei der Sonntagsmesse zahlt sich ein Pfarrer gar nimmer aus, der eucharistiert daher um acht Uhr in der Pfarre eins, um halbzehn in der Pfarre zwei und um elf in der Pfarre drei, dann setzt er sich zum Wirt'n und sauft sich an, weil er als studierter Theologe das ganze Zeugs eh selber nimmer glaubt. Dann besucht seine Freundin oder den Freund.

Die katholische Kirche ist streng. Sie verdammt Geschiedene, Homosexuelle, Kondomnutzer, Kommunisten und Atheisten, sie heiligt die Gottesmutter, die Klerikalfaschisten und die Vorhaut vom Jesus. Aber sie hält sich damit besser als die Evangelischen. Die bebeten keine heilige Maria, akzeptieren Geschiedene, haben weibliche Pfarrer und homosexuelle Bischöfe (okay, die haben die Katholerer auch, aber nur undercover). Trotzdem treten bei ungefähr gleicher Mitgliederstärke mehr Evangelische aus als Katholische, wie diese Tabelle aus Deutschland zeigt:

Aber sehen wir das nicht so eng, freuen wir uns einfach über den Rekord des Jahres 2010, hier schön aufgegliedert nach Diözesen und im Vergleich zum Vorjahr:

Ist das nicht wunderbar?
Und auch dieser Rekord wird gebrochen werden!
Mitglieder der katholischen Kirche! Folgt der Empfehlung Schönborns, nutzt die
Zeichen der neuen Freiheit in der Entwicklung zum Entscheidungschristentum. Entscheidet Euch für die Konfessionsfreiheit!