In der Kronenzeitung ist traditionell der fromme Herr Dieter Kindermann für gottgefällige Texte besonders auserwählt. Wenn's was zu heiligen gibt, dann macht das der Kindermann.
Kindermann: Der unbeugsame Papst wird in wenigen Wochen selig gesprochen,
hunderttausende polnische Pilger werden dazu in Rom erwartet, sie werden Rom
"in ein Meer von weiß-roten Fahnen tauchen und ihren 'Nationalheiligen'
Karol Wojtyla, Papst Johannes Paul II., umjubeln". Die Seligsprechung erfolgt
in Rekordzeit von sechs Jahren und einem Monat, "natürlich unter Einhaltung
der strengen römischen Kriterien und Normen, versichert die vatikanische Kongregation
für Heilig- und Seligsprechungen."
Atheistische Erläuterung:
Das für eine Seligsprechung notwendige Wunder wurde zielsicher präsentiert,
der parkinsonkranke Papst heile Parkinson, legte man sich fest, konkret ließ
er vom Himmel aus schon 2005 eine französische Nonne mittels Wunder von der
bisher absolut unheilbaren Parkinsonkrankheit heilen. Dazu gab es die Einwendung,
dem Wunder gebreche es daran, dass die wundergeheilte Nonne gar nicht an der
Parkinson Krankheit erkrankt gewesen wäre, von der sie wundergeheilt wurde,
es habe sich um eine Fehldiagnose gehandelt, wie etwa der französische Neurologe
Stéphane Thobois feststellte. Aber das war kein Problem, das wunderorientierte
Ärzteteam blieb beim Wunderglauben und den strengen römischen Kriterien. Und Dieter Zimmermann hatte ja nie daran
gezweifelt.
Ein anderes Problem ist ohne Wunder wieder verschwunden.
Das Problem, dass Wojtyla bezüglich der Praxis der Vertuschungen von klerikalen
Kinderschändungen, rege tätig gewesen wäre, 2010 hatte sogar der Vatikan
deswegen Bedenken, siehe dazu Info Nr. 170, Nr.
172, Nr. 219 und den
Profil-Artikel "Der Unselige".
Aber die Kinderschändungen hat man ja inzwischen schon ausgesessen. Der Papst
hat sich entschuldigt, bezüglich der Regelung
für das Vorgehen bei Missbrauchsfällen bleibt man weiterhin dabei, dass keine
Anzeigepflicht bei den Behörden besteht und Missbrauch unters päpstliche Geheimnis
fällt. Kindermann ist dieser Bereich natürlich völlig unbekannt, davon hat er
bestimmt noch nie was gehört.
Kindermann: "Im Kampf gegen
totalitäre Regime, wie den NS- und KP-Terror. Im Kampf für Menschenwürde und
Glaubensfreiheit. 'Widersetzt euch allem, was der Menschenwürde widerspricht',
rief er 1979 seinen polnischen Landsleuten zu."
Atheistische
Erläuterung: Wenn man den Satz "Widersetzt euch .." unter Anführungszeichen
googelt, ist keine einzige Stelle dafür zu finden. Dafür wurde aus dem Spiegel
23/1979 ergoogelt: "Die Menschenwürde kann nur durch einen richtigen und
verantwortungsvollen Gebrauch der menschlichen Freiheit gewahrt werden."
Gemeint hat der damalige Papst damit laut Spiegel: "Menschenwürde heißt
für Papst Wojtyla, daß der allmächtige Staat den von der Kirche bestimmten Kodex
des Bürgers in Sitte und Moral respektiert, daß er ihn den Konsens zur Gesellschaft
finden lässt". Er forderte also mehr Katholizismus im Kommunismus, nicht
mehr Menschenwürde.
Kindermann weiter: "Der Papst ist eine Gefahr für den gesamten
Kommunismus", warnte der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew. Tatsächlich
verübte 1981 der Türke Ali Agca im Auftrag östlicher Geheimdienste ein Attentat
auf ihn.
Atheistische Erläuterung: Das Breschnew-Zitat ist nicht
zu ergoogeln, die Behauptung östliche Geheimdienste hätten das Attentat von
1981 inszeniert, ist bloß eine zeitweise Behauptung des Attentäters gewesen,
die nie belegt werden konnte. Ali Agca ist offensichtlich ein geistig abnorme
Rechtsbrecher, der zuerst Bulgarien, dann die Palästinenser und im Jänner 2011
im türkischen TV den Vatikan als Auftraggeber beschuldigte: Der Befehl, auf
den Papst zu schießen, wäre vom Staatssekretär des Vatikans, Kardinal Casaroli
gegeben worden, man hätte mit dem Attentat den Verdacht auf die Sowjetunion
lenken und sie dadurch zum Fall bringen wollen, der Papst habe von dem Plan
gewusst, seine Verletzung in Kauf genommen und Agca den Auftrag gehabt, den
Papst keinesfalls zu töten. Also sollte man dem Agca eher gar nix glauben,
Kindermann glaubt natürlich an Bulgarien.
Kindermann weiter: "Der
polnische Pontifex hat Tabus gebrochen, historische Gesten gesetzt. Er vereinte
1986 die Führer der Weltreligionen in Assisi zum Gebet. Er sprach 2000 die historische
Vergebungsbitte für Verfehlungen der Kirche aus: Für Glaubenskriege, Inquisition
und Judenverfolgung. Johannes Paul II. pilgerte auch in das Heilige Land und
steckte wie ein frommer Jude einen Zettel mit Gebetsanliegen zwischen die Quader
der Klagemauer."
Atheistische Erläuterung: Dass er in Assisi
gebetet hat, war keine so große Welterrungenschaft und die Vergebungsbitte überhaupt
keine, sondern die übliche christkatholische Heuchelei, wie sich leicht ergoogeln
lässt: Wojtyla unterschied scharf zwischen den Sünden der "Söhne und
Töchter" und der Kirche selbst. Denn die Kirche bleibt trotz der schweren
Last heilig und unbefleckt, die Sünde sei immer der Person eigen, auch wenn
sie die ganze Kirche verletze, so die Weisheit des Wojtyla. Eine lange Latte
an katholischen Straftaten wird aufgezählt, schuld daran sind die beteiligten
Katholiken, die Kirche selber kann nix dafür. "Wir bedauern zutiefst die
Fehler und Versäumnisse der Söhne und Töchter der Kirche" Punkt. Dasselbe
könnten beispielsweise auch Neonazis sagen: der Hitler und der Himmler, der
Heydrich und der Eichmann waren Söhne mit Fehlern und Versäumnissen, der Nationalsozialismus
an und für sich hingegen war eine reine und völkisch-heilige Idee. Und schon
könnte man in Österreich das NS-Verbotsgesetz aufheben.
Dieter Kindermann
ist selig, dass es am 1. Mai 2011 einen seligen Wojtyla geben wird. Unsereiner
sieht das wie gehabt: Heucheln ist die katholische Grundtugend. Einen Schutzpatron
der Heuchler gibt's bisher nicht. Einen heiligen Heuchler braucht die katholische
Kirche jedoch auch nicht, die Heuchelei ist substanziell.