ÖVPler im Kampf gegen Konfessionsfreie

Am 30. März 2011 wurde die Presseaussendung des Zentralrates der Konfessionsfreien betreffend die Nichtberücksichtigung der Konfessionsfreien für die Enquete zum Ethikunterricht ausgesandt, siehe Info Nr. 446. Diese Aussendung ging an die Medien, an die politischen Parteien und an staatliche Dienststellen, die mit dem Ethikunterricht befasst sind. So auch an die Landesschulräte.
Ein ÖVP-Landesschulrat wehrte sich dagegen, mit Konfessionsfreien wollte er nichts zu tun haben, offenbar besitzen für ihn Religionslose keine Grund- und Freiheitsrechte, wie das Recht auf Meinungsäußerung oder das Recht ihre Anliegen staatlichen Stellen vorzutragen, er mailte nämlich:
Sehr geehrter Herr Dr. Oberhummer!
Mit Mail vom 1.2.2011 ersuchte ich Sie um Streichung aus Ihrem Mailverteiler. Heute habe ich wieder ein Mail von Ihnen erhalten. Ich ersuche Sie um sofortige Löschung meiner Mailadresse aus Ihrem Verteiler, ansonst werde ich rechtliche Schritte einleiten. Besten Dank und mit freundlichen Grüßen HD Dipl.Päd. Wolfgang Neubacher Vizepräsident des Landesschulrates für Salzburg


Herr Neunbacher weiß offenbar nicht, was NGOs sind, Non-Governmental Organizations, Nichtregierungsorganisationen, die sich für bestimmte Belange engagieren. Der Zentralrat der Konfessionsfreien ist eine NGO, die sich für Belange einer bestimmten Menschengruppe einsetzt. Was dem katholischen Schulfunktionär offenbar ein Dorn im Auge ist. Ihm musste darum der Sachverhalt verdeutlicht werden:

Sehr geehrter Herr Neubacher,
Wir bedanken uns für Ihre freundliche Aufforderung, Sie aus unserem Mailverteiler zu löschen sowie für Ihre unmissverständliche Androhung, rechtliche Schritte gegen Bürger und Bürgerinnen einzuleiten, die lediglich Gebrauch von ihren Grundrechten machen, um sich gegen die drohende Abschaffung eben dieser Grundrechte (u. a. das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit) zu wehren.
Unsere Stellungnahme zur rechtlichen Situation
Nach Auskunft unseres Anwaltes sowie des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland ist die rechtliche Situation folgende: Die E-Mail-Adresse, an die wir unsere zwei Pressemitteilungen geschickt haben, ist keine Privatadresse, sondern die eines Staatsbeamten, der im Dienste des Staates und der Bürger ist. Wie alle Staatsbedienstete werden Sie außerdem von den Bürgern und Bürgerinnen dieser Republik bezahlt. Sie können sich also nicht aussuchen, von welchen Bürgern und Bürgerinnen Sie E-Mails bekommen möchten und von welchen nicht. Sie können sich also nicht aussuchen mit welchen Anliegen von Bürgern und Bürgerinnen Sie konfrontiert werden wollen und mit welchen nicht. Auch wenn es in diesem Land keine Selbstverständlichkeit ist, sind Behörden und Bedienstete des Staates zu völligen Neutralität verpflichtet: sie müssen Frauen wie Männer, Weiße wie Schwarze, Gläubige wie Konfessionsfreie, Behinderte wie Nichtbehinderte usw. gleich behandeln.
Pressemitteilungen sind keine Werbung und fallen daher nicht unter den Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes. Eine Möglichkeit des Opt-outs gibt es also nicht.
Wie gehen Sie mit E-Mails von Religionsvertretern um?
Das, was Sie erzürnt ist offensichtlich nicht die Tatsache, dass Sie E-Mails von Bürgern erhalten, sondern dass erstens diese Bürger Konfessionsfreie sind und zweitens der Inhalt deren Pressemitteilungen Ihnen - u. a. als Mitglied der ÖVP (und möglicherweise auch als Christ) - ganz und gar nicht gefällt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie in dieser schroffen Weise mit Religionsvertretern umgehen würden, die Ihnen die Anliegen und Interessen ihrer Schäfchen vortragen würden. Als Konfessionsfreie und Vertreterorganisation von Konfessionsfreien erwarten wir also von Ihnen, dass Sie uns den gleichen Respekt und die gleiche Toleranz entgegenbringen, wie Sie sie einem Herrn Alois Kothgasser [kircheninterner Titel: Erzbischof] erweisen würden. Und dies unabhängig davon, wie schwer es Ihnen fallen mag.
Viele Christen tun sich mit der Idee der "Gottlosigkeit", des gottlosen Lebenswandels und somit der Freiheit besonders schwer, denn erst wenn ein Mensch glaubt (vorzugsweise an die christlichen Götter) ist er auch wirklich ein Mensch. Das beweist u. a. die Forderung der ÖVP nach einem "Ethikunterricht" für eben diese "Gottlosen". Es ist daher nicht unmöglich, dass Sie uns Konfessionsfreie als Feinde betrachten.
Da Sie ÖVP-Mitglied sind, ist anzunehmen, dass Sie auch Christ sind (was ja nichts Verwerfliches ist). Sollten Sie uns also tatsächlich als Feinde betrachten (was wir doch nicht hoffen…), möchte ich Sie an dieser Stelle an das Evangelium und an einen der wesentlichen Punkte der christlichen Ethik erinnern:
Ihr (…) sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Lukas (6, 35)
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde. (…) Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? (…) Wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie auch euer himmlischer Vater ist. Matthäus (5, 44-48)
Sich an die Worte Christi zu halten, heißt in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu leben und zu handeln. Und welch größte Freude könnte es für einen Christen überhaupt geben, als gemäß dem Willen Gottes zu handeln? Je schwerer es einem fällt und je mehr Überwindung es einem kostet, desto mehr wird es ihm Gott im Himmelreich vergelten.
Sie sind in unserem Mailverteiler… Und es ist kein Irrtum.
Es gibt viele Gründe, warum wir Sie in unserem Mailverteiler aufgenommen haben. Hier nur drei davon:
Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie, als Vizepräsident des Salzburger Landesschulrates, am 16. November 2010 in Salzburg an einer Veranstaltung des ÖAAB teilgenommen haben, in der es um die Schulpolitik ging, darunter auch um den Ethikunterricht. Hier ist können Sie die Zusammenfassung darüber nachlesen, für den Fall dass Sie es vergessen hatten [http://www.oeaab.com/b2148]. Die ÖVP und die ÖAAB machen sich seit Jahren für diesen verpflichtenden Ethikunterricht für alle "Gottlosen" stark und auf diesem Weg diese mit religiösen Inhalten zu füttern (weil Religion die Norm ist und alles andere abnormal). Dieses Vorhaben ist also nichts anderes als die Abschaffung der Religionsfreiheit (naturgemäß werden Sie die Sache ganz anders sehen), in dem Fall die Freiheit keiner Religion anzugehören. Und wenn Sie an einer solchen Veranstaltung teilnehmen, ist es nicht anzunehmen, dass Sie diese Ziele (die Ziele Ihrer Partei) nicht unterstützen würden.
Sie als Vizepräsident eines Landesschulrates müssen also wissen, dass immer mehr Bürger und Bürgerinnen - immer mehr Eltern - sich gegen diese Politik und diese religiöse und staatlich verordnete Bevormundung wehren werden. Wir wissen außerdem aus Erfahrung, dass solche Posten, wie der den Sie innehaben, alles andere als unpolitisch sind und dass auch in den Landesschulräten ordentlich Politik gemacht wird (siehe Punkt 1). Wir sind der Meinung, dass in einer Demokratie die Bürger sehr wohl das Recht haben, auch in politischen Belangen mitzureden. Vielleicht sehen Sie es anders. Es bleibt Ihnen unbenommen.
Ach und übrigens: In den Landesschulräten unterliegt in der Regel der Ethikunterricht den Fachinspektoren für Religion (katholische oder protestantische), welche nicht nur dem Staat verbunden sind sondern auch ihrer Kirche. Und wir Konfessionsfreie sollten nicht misstrauisch sein?
In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen Grüße, Philippe F. Lorre (i. V. Univ. Prof. Dr. Heinz Oberhummer)