Jahresrückblick 2011 der Konfessionsfreien

Auch heuer feiert der Zentralrat der Konfessionsfreien statt Weihnachten wieder lieber seine Gründung. Er ist nun immerhin bereits zwei Jahre alt. Zu den Highlights zählen wohl Niko Alms Nudelsieb-Aktion und die Resolution der Grünen zur Trennung von Staat und Kirche.

Hier ein Überblick über die Erfolge des Jahres 2011:

Im Jänner versuchte die katholische Kirche die Rekord-Austrittszahlen des vergangenen Jahres erwartungsgemäß herunterzuspielen. Christoph Baumgarten zog einen Vergleich mit George Orwells Ministerium für Wahrheit: Miniwahr in Österreich.
Von den rund 50.000 Taufen im Jahr 2009 waren nur 253 im religionsmündigen Alter von über 14 Jahren. In diesem Zusammenhang kritisierte Niko Alm im Standard: "Selbst, wenn es nachvollziehbar erscheint, dass Eltern ihre Kinder innerhalb der Glaubensgemeinschaft erziehen wollen, widerspricht die Zwangstaufe der individuellen Selbstbestimmung in diesem höchstpersönlichen Bereich.”
Am 23.1. kritisierte der Zentralrat der Konfessionsfreien in einer Presseaussendung den Ethikunterricht (in der jetzigen und in der geplanten Form) als religiöse Bevormundung und Abschaffung des Grundrechtes auf Religionsfreiheit.
Am 26.1. empfing der evangelische Bischof Michael Bünker Vertreter der Konfessionsfreien. In der einstündigen Unterredung kam es allerdings zu keiner Einigung.
Am 9.2. empfing Bundespräsident Heinz Fischer »Die Konfessionsfreien«. Der Zentralrat hat seine grundsätzliche Forderung nach Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention bekräftigt und deutlich gemacht, dass die Konfessionsfreien jene Rechte einfordern, die ihnen seit fast 50 Jahren verfassungsmäßig zustehen, nämlich die völlige rechtliche Gleichstellung aller BürgerInnen, unabhängig ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Dies bedingt die Abschaffung des Systems der Anerkennung von Religionen sowie sämtlicher Privilegien, die den Religionen immer noch gewährt werden.
Im Februar geisterte die Mär durch die Medien, dass den Heidenkindern, die keinen konfessionellen Unterricht besuchen, etwas fehle. In der Kampagne für einen verpflichtenden Ethikunterricht in Österreich tat sich besonders der evangelische Bischof Michael Bünker hervor, er hängt an den Zitzen der Macht. Die Debatte gipfelte in einem Standard-Interview zwischen Heinz Oberhummer und Michael Bünker.
Ab März startete die Initiative gegen Kirchenprivilegien mit dem Sammeln von Unterstützungserklärungen, der Standard berichtete. Das Kirchenvolksbegehren erhebt zwei Hauptforderungen: erstens die klare Trennung von Kirche und Staat. Zweitens verlangen die Initiatoren die Einrichtung einer Sonderkommission zur staatlichen Aufklärung der Missbrauchsfälle (Video). Eine Integralumfrage bescheinigte der römisch-katholischen Kirche einen dramatischen Glaubwürdigkeitsverlust.
Ende März gab es zwei gerichtliche Urteile zum christlichen Kreuz. Der österreichische VfGH stellte Kirchenprivilegien über Menschenrechte und definierte das Kreuz nicht mehr als religiöses Symbol, sondern neu als Symbol der abendländischen Geistesgeschichte. Der EGMR urteilte im Fall Lautsi ähnlich. Was zuerst nach einer Niederlage aussah, war tatsächlich ein Triumph, denn das christliche Kreuz ist nun höchstrichterlich in Europa kein geschütztes religiöses Symbol mehr. Aber das ist nur eine Teilsicht. Das Augenzwinkern kann einem vorübergehend auch wieder vergehen. Denn solche Entscheidungen untergraben zugunsten von religiösen Wahrheitsaposteln und Machtpolitikern die europäische Rechtskultur.
"Die zwei Urteile sind zu akzeptieren”, sagte die grüne Abgeordnete Daniela Musiol im Standard-Interview. Und: "Das Kreuz ist natürlich auch für viele Menschen ein Symbol der Unterdrückung.” Vielmehr gebe es "kein eindeutiges Symbol für Nächstenliebe und Toleranz, schon gar nicht das Kreuz”.
Die für Mai geplante parlamentarische Enquete zum Ethikunterricht für alle SchülerInnen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sollte zunächst ohne VertreterInnen der zwei Millionen Konfessionsfreien stattfinden. Konfessionsfreien-Vorsitzender Heinz Oberhummer fühlte sich »vor den Kopf gestoßen« und sprach von einer Farce. Das Blatt wandte sich jedoch, die Grünen verhalfen den Konfessionsfreien zur Teilnahme an der Parlamentsenquete.
Im April lief die Berichterstattung über das geplante Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien weiter: Es wird nun auch von den Jungen Liberalen (JULIs) unterstützt. In einer Pressekonferenz wurde eine erste Zwischenbilanz gezogen. Während Kardinal Schönborn sich im Missbrauchsskandal auf Verjährung beruft und Betroffene kirchlicher Gewalt mit Almosen abgespeist werden, kennt die Kirche beim Eintreiben der Kirchensteuer keine Gnade: schon wegen geringer Euro-Beträge geht sie gegen ihre Mitglieder gerichtlich vor und schreckt auch vor Exekutionen nicht zurück” zeigte sich Sepp Rothwangl, Sprecher der Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt, verärgert.
Am 3.5., einen Tag vor der parlamentarischen Enquete, veröffentlichte die Initiative Religion ist Privatsache einen offenen Expertenbrief zur parlamentarischen Enquete. In diesem Brief wurde nicht nur die versteckte religiöse Motivation des geforderten Pflichtethikunterrichtes thematisiert, sondern es wurden auch drei Grundforderungen gestellt. Die Konfessionsfreien und die Initiative gegen Kirchenprivilegien legten darüber hinaus einen 7-Punkte Forderungskatalog vor.
Über die parlamentarische Enquete zum Ethikunterricht am 4.5. berichtete der Standard: Ketzer und Gläubige auf der Suche nach Werten. Lesenswert ist das Impulsreferat von Konrad Paul Liessmann, der fordert: Ethikunterricht vom Religionsunterricht entkoppeln (siehe auch hier). Christoph Baumgarten analysierte das Ergebnis der Enquete und konstatierte zwei Dinge: Den Einfluss der Religionsgemeinschaften auf die öffentliche Meinung. Und strukturelle Denkfehler zahlreicher Politiker und so genannter Experten.
Mitte Mai legte der Physiker und Wissenschaftskabarettist Heinz Oberhummer den Vorsitz des Zentralrats der Konfessionsfreien in Österreich zurück. Zu seinem Nachfolger wurde Niko Alm gewählt, einer der bekanntesten Vertreter der laizistischen Bewegung des Landes.
Am 16.6. lud die Regionalgruppe Österreich der Giordano Bruno Stiftung zum Thema "Wahrheit und Wirklichkeit, Religion im 21. Jahrhundert" zu einem Philosophischen Diskussionsabend nach Graz. Fazit: Die Trennung von Konfession und Staat ist ethisch geboten.
ORF und Kirche -kein heiliges Band: unter dieses Motto brachte die Initiative Religion ist Privatsache Ende Juni eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien betreffend des ORF-Sponsorings der diesjährigen "Langen Nacht der Kirchen" ein und bat den Rechnungshof in einem Brief, den selben Sachverhalt ebenfalls zu prüfen.
Im Juli war es dann endlich so weit: Das Nudelsieb als religiöse Kopfbedeckung wurde von der Republik Österreich als solche anerkannt. Behördlicherseits versuchte man sich danach natürlich herauszureden. Kurz darauf folgte der Aufruf, der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Kirche des fliegenden Spaghettimonsters" beizutreten, um die staatliche Anerkennung zu erlangen. Niko Alm: "Es ist an der Zeit sich nicht mehr länger hinter Sieben zu verschanzen. Wir müssen diesen Glauben an die Öffentlichkeit bringen! Wir werden uns dieselben Sonderrechte holen, wie alle anderen Kirchen und Religionsgesellschaften: Religionsunterricht, theologische Fakultäten, Befreiung von der Stellungs- und Wehrpflicht für unsere Seelsorger, Steuerbefreiungen, usw usf. Den Blasphemieparagraphen werden wir bis zum Anschlag ausreizen!”
Im September überraschte Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI anlässlich seines Deutschland-Besuches unerwartet positiv. Er hat zur "Entweltlichtung" der römisch-katholischen Kirche aufgerufen. Nirgends können das die Katholiken so rasch und effektiv umsetzen wie in Österreich. Österreichs Katholiken sind nach der Freiburger Rede des Papstes de facto verpflichtet, das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien zu unterstützen.
Am 21.9. lud die GBS Österreich zum zweiten Philosophischen Diskussionsabend mit dem Thema Evolutionären Humanismus verstehen und implementieren.
Anfang Oktober stellten SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim und die Grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol das Konkordat in Frage. Jarolim betonte, dass er für eine strikte Trennung von Staat und Kirche eintrete. Das sei aber seine "persönliche Meinung” und nicht die Meinung der Partei, sagte der SPÖ-Justizsprecher. Musiol tritt für eine Kündigung des Konkordats ein. Dies sei ihre persönliche Meinung, erklärte auch sie.
Mitte Oktober überraschte ein Coup der Grünen die gesamte säkulare Szene in Österreich: am Bundeskongress beschlossen die Grünen eine Resolution zur Trennung von Staat und Kirche. Das monatelange Lobbying der Konfessionsfreien hat Wirkung gezeigt.
Anfang November kam Dr. Carsten Frerk auf Einladung der Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien sowie der Freidenker und der Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung nach Wien und hielt einen Vortrag zum Thema "Wie der Staat die Kirchen finanziert".
Im Dezember kritisierte die Initiative Religion ist Privatsache die Renovierung des Papstkreuzes in Wien.
Und das Beste zum Schluss: In St. Pölten haben kurz vor Weihnachten SchülerInnen zum Kirchenaustritt aufgerufen. Wir wünschen einen besinnlichen Jahresausklang!