Rosenheim - Ein mutmaßlicher Salafist wurde am Amtsgericht
Rosenheim als HartzIV-Betrüger verurteilt. In seiner Wohnung fanden Beamte des
Zollamts zudem frauenfeindliche Bücher.
Radikale Salafisten - Vertreter einer ultrakonservativen
Strömung innerhalb des Islam - bereiten deutschen Sicherheitsbehörden immer
größere Sorgen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, Berlin und in Hessen. Auch
der bayerische Verfassungsschutz hat dem Salafismus erstmals ein Kapitel
gewidmet. Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) handelt es sich dabei um
die am schnellsten wachsende Bedrohung innerhalb der islamistischen Bewegung.
Deshalb fand der Prozess gegen einen mutmaßlichen Salafisten
am Rosenheimer Amtsgericht unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt.
Der Nordafrikaner wurde ebenso wie seine Lebensgefährtin wegen gewerbsmäßigen
Betrugs zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt - jeweils ausgesetzt auf drei
Jahre zur Bewährung.
Der Araber war nach dem Abitur nach Deutschland gekommen,
hatte in Düsseldorf ein Soziologiestudium begonnen, dieses abgebrochen und 2007
Asyl beantragt. Seit 2001 lebt er im Raum Rosenheim - zuletzt im nördlichen
Landkreis. Er schlug sich als Bauarbeiter durch und machte eine Ausbildung zum
Imam. Seit 2010 liest er in einer Rosenheimer Moschee aus dem Koran und hält
Predigten. Über vier Jahre lang hatte das nach islamischem Ritus verheiratete
Paar - nach deutschem Recht handelt es sich um eine "eheähnliche Beziehung" -
immer wieder Hartz IV beantragt und auch bewilligt bekommen. So kassierten der
Prediger und seine Lebensgefährtin (27) fast 11.000 Euro Sozialhilfe vom Staat
- und das zu Unrecht. Denn beim ersten Antrag auf Arbeitslosengeld II
verschwiegen sie ihre Nebeneinkünfte ebenso wie in späteren Neuanträgen, bei
denen stets nach Zusatzeinkommen gefragt wird. Dass sie sich darauf
spezialisiert hatten, ausländische Patienten, die sich in Deutschland ärztlich
behandeln lassen, aber kein Deutsch sprechen, während des Aufenthalts zu
betreuen, erwähnten die Hartz-IV-Betrüger mit keinem Wort. Die fetten Honorare
für Übersetzerdienste und Dienstleistungen kassierten sie stets in bar.
Mit der Masche kam das Paar lange durch - bis ein anonymer
Hinweis beim Rosenheimer Jobcenter den Stein ins Rollen brachte. Die für
Betrugsdelikte zuständigen Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des
Rosenheimer Hauptzollamtes deckten den Schwindel auf. Im Zuge der Ermittlungen
wurden die verbotenen frauenfeindlichen Bücher gefunden - öffentlich ausgelegt
in der Moschee. Auch das machte der Staatsanwalt dem Imam im Prozess zum
Vorwurf. Weil die Schriften als jugendgefährdend indiziert sind, ist das eine
Straftat. Unter anderem wird darin zur körperlichen Misshandlung von Frauen
aufgerufen, um sie zu "züchtigen". Der Imam behauptete, dass er dafür nicht
verantwortlich sei, da die Broschüren im Frauenraum ausgelegen hätten und er
dort keinen Zutritt habe.
Offiziell sind im Raum Rosenheim zehn Moscheen bekannt. Zumindest zwei davon stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes: das Haus der Milli-Görüs-Bewegung und die Moschee, in der im September 2011 die verbotenen Bücher gefunden wurden und der jetzt verurteilte Imam predigte.
Im Zuge der bundesweiten Razzien gegen radikale Salafisten
am Donnerstag (wir berichteten) ist es auch zu Durchsuchungen in München und
Augsburg gekommen. Nach Angaben von Innenminister Joachim Herrmann werden in
Bayern rund 450 Personen beobachtet, die dem Salafismus zuzuordnen sind - vor
allem in München, Augsburg, Regensburg und Bayreuth.
So fand im November 2011 in einer Nürnberger Moschee ein
Islam-Seminar mit prominenten Salafisten statt. "Besonders auffällig waren die
radikale Ausrichtung der anwesenden Prediger und die Zusammensetzung des
Teilnehmerkreises, der sich in hohem Maß aus Personen des
islamistisch-terroristischen Umfelds rekrutierte", heißt es im
Verfassungsschutzbericht. Salafisten ignorieren viele Jahrhunderte
theologischer Entwicklung, fordern stattdessen die Rückbesinnung auf die
"Vorfahren" (arabisch "salaf") und den "reinen Islam" des 7. Jahrhunderts. Vom
Grundgesetz halten sie wenig. Sie säen Hass, Gewalt und Intoleranz, so
Herrmann.
Der Verfassungsschutz betont dabei, dass der Islam
als Religion und seine Ausübung nicht überwacht werden. Dem gesetzlichen
Beobachtungsauftrag unterliegen jedoch islamistisch-extremistische (Kurzform: islamistische)
Organisationen und Einzelpersonen. Eine Strömung davon ist der Salafismus.
Bayernweit rechneten die Sicherheitsbehörden 2011 rund 6.500 Personen
islamistischen Vereinigungen zu. Mitgliederstärkste Gruppierung mit einem
verfassungsfeindlichem Kurs ist die Islamische Gesellschaft Milli Görüs (IGMG)
mit 4.700 Anhängern. Die Milli-Görüs-Bewegung unterhält in Rosenheim eine
eigene Moschee. Daneben gibt es in Wasserburg ein "Internationales
Erziehungszentrum", das die Verfassungsschützer als Teilorganisation der IGMG
bewerten. In Rosenheim geht man von rund 200 Milli-Görüs-Anhängern mit
islamistischem Potenzial aus, in Wasserburg von 40. Die Zahl der Muslime in
Stadt und Landkreis wird auf 10.000 geschätzt.