Vernünftig und vorurteilslos

Was es mit dem Beten im Advent auf sich hat, erklärte der Theologe Michael Rosenberger am 7.12.2012 den LeserInnen der OÖNachrichten.

Rosenberger zur Wirksamkeit des Betens: "In dem Moment, wo es beweisbar wäre, dass Gott durch ein Eingreifen in die natürlichen Abläufe etwas bewirkt hat, wäre Gott nicht mehr Gott. Denn er ist von der Definition her der Unbegreifliche, den keine Wissenschaft dingfest machen kann. Wir können nur sagen: Ich selber glaube, dass Gott mir geholfen hat. Das ist anderen nicht beweisbar, sondern eine ganz persönliche Überzeugung."

Seltsamerweise steht jedoch in der Bibel, Markus 11:24: "Darum sage ich euch: Alles, was ihr im Gebet verlangt, glaubt, dass ihr es empfangen habt, so wird es euch zuteil werden!" Demnach müsste dann jedem Einbeinigen, der fest daran glaubt, das Gebet bringe ihm den zweiten Fuß wieder, diesen erhalten. Seltsamerweise ist sowas noch nie geschehen. Hat der Jesus seine Jünger angelogen?

Die letzte OÖN-Frage lautete: Ein Atheist könnte aber sagen: Da es Gott nicht gibt, ist beten von vornherein sinnlos.

Rosenberger:
"Ein vernünftiger und vorurteilsloser Atheist müsste eigentlich anerkennen, dass das Beten einen Menschen menschlicher machen kann. Einem Menschen, der mit dem Gespür für das Geheimnis des Lebens, für Glaube, Liebe, Hoffnung, Vertrauen, Zuneigung betet, hilft das Gebet zu mehr Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität."

Nu, es gibt viel, was einen Menschen menschlicher machen kann. Z.B., dass er sich selber hilft, statt auf Gott zu warten. Es ist bei entsprechend schlicht strukturierten Gemütern sicherlich nicht auszuschließen, dass sie in der tiefen Einfalt ihres Glaubens versunken tatsächlich was Gutes tun, sowas gibt's wirklich! Aber in der Regel sind die Gläubigen ÖVP-Wähler und machen sich darüber Sorgen, dass sie zuviel Steuern zahlen. Eine Spende fürs Kinderdorf, fürs Rote Kreuz, die Kirchturmrenovierung und die Feuerwehr ist dann schon eine wahre Ausgeburt an Menschlichkeit.

Ein vernünftiger und vorurteilsloser Theologe könnte auch einmal versuchen, sich Gedanken über seinen Glauben zu machen, über den spurenlosen Gott, über Widersprüche, über Handlungen von diversen Christen und wie sie diese mit ihrem Glauben in Einklang bringen. Bischof Helder Camara hat einst gesagt: "Wenn ich den Hungernden Brot gebe, bin ich ein Heiliger. Wenn ich frage, warum sie hungern, bin ich ein Kommunist." Ein vernünftiger und vorurteilsloser Theologe könnte über diese Aussage nachdenken. Weil sie beschreibt intensiv das heilige christliche Handeln.

Aber Vorsicht. Ein Theologe, der tatsächlich versucht, vernünftig und vorurteilslos zu denken und zu handeln, könnte recht bald Glaubensprobleme bekommen, ein Atheist braucht viel weniger Befürchtungen zu haben, wieder gläubig zu werden ...