Katholische Paranoia

Die katholische Kirche hat ein neues Problem. Sie ist als Institution in der Realität eingelangt und wird behandelt wie sonst eine beliebige andere Einrichtung. Der Vorschuss an Gnade und Barmherzigkeit, der ihr bisher speziell von den Medien gewährt worden war, ist ziemlich aufgebraucht. Die heilige katholische Kirche hat in der säkularen Welt ihre Heiligkeit verloren. Wenn die r.k. Kirche Scheiße baut, dann steht das in der Zeitung. Es steht auch in der Zeitung, wenn die Kirche Meinungen verbreitet, die heute Seltenheitswert haben und/oder Widerspruch provozieren.

Was man im Kirchenapparat nicht zur Kenntnis nehmen will.

Als im Jänner 2013 in Köln in zwei katholischen Krankenhäusern die Betreuung eines Vergewaltigungsopfers aus katholischen Moralgründen verweigert wurde (siehe Info Nr. 1256), zuckten die medialen Blitze auf und schlugen mit Donnerschlag ein. Sogar der Kölner Kardinal Meisner war aus lauter Schreck plötzlich für die "Pille danach", wenn diese nicht zum Schwangerschaftsabbruch, sondern nur zur Verhinderung des Eisprungs dient. Dabei ist katholisch gesehen ja jedwede Verhinderung einer Befruchtung außer der Methode Knaus-Ogino (Beobachtung der fruchtbaren Tage) eine Sünde.

Die öffentlichen Schelte führten dazu, dass führende Kirchenfunktionäre ihre Kirche verfolgt sahen. Der Chef der Inquisition (heute heißt das "Kongregation für die Glaubenslehre") Gerhard Müller sah in Europa schon Pogrome gegen katholische Kleriker aufziehen. Das russische Wort "Pogrom" bedeutet "Verwüstung", "Zerstörung" und damit beschrieb man dort gegen Juden gerichtete gewalttätige Ausschreitungen in den 1880er-Jahren. An solche Ausschreitungen fühlte sich Müller erinnert, siehe Info Nr. 1278. Auch in den USA, wo Bemühungen um die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften den Zorn der katholischen Kirche ebenso hervorrufen wie Schwangerschaftsabbrüche, fühlt man sich alleine schon deswegen verfolgt, weil andere Ansichten als die ihrigen dazu Chancen auf Verwirklichung hatten bzw. haben. Ein besonders kurioser Moment ist, dass es in den USA eine Regelung gibt, dass Betriebskrankenkassen die Kosten für Verhütungsmittel übernehmen müssten, wogegen sich katholische Betriebe mit Händen und Füßen wehrten. Auch das wurde als eine staatliche Verfolgung der Kirche gesehen.

Kardinal Meisner spricht von "Katholikenphobie", er will diesen Begriff so einsetzen wie es die Philoislamisten und die richtigen Islamisten mit dem Begriff "islamophob" tun: Nämlich als moralisches Verbot, den Islam zu kritisieren, ein Verbot, das möglichst auch zu einem gesetzlichen Verbot weiterentwickelt werden sollte, wie die "Organisation für Islamische Zusammenarbeit", ein Bündnis von 57 islamischen Staaten, ständig fordert, "Islamophobie" wird als Variante des Rassismus gesehen.

Auf dieser Schiene möchten auch manche katholischen Funktionäre mitfahren. Allerdings so weit aus dem Fenster gelehnt hat man sich derweilen noch nicht, um Kritik an der katholischen Kirche ebenfalls als "Rassismus" zu bezeichnen. Es gibt zwar auch keine muslimische Rasse, aber bei gar nicht so wenigen Schwachköpfen fällt die Forderung nach einem Verbot der Kritik an der islamischen Ideologie, weil solche Kritik "rassistisch" sei, tatsächlich auf fruchtbaren Boden. Im katholischen Bereich hätten das manche auch gerne so: weil Katholiken werden nicht nur im Islam, sondern auch in Europa und Nordamerika verfolgt!

Und nun hat der Medienwissenschaftler Norbert Bolz in einem Interview mit Domradio.de am 8.2.13 ebenfalls diese Ansicht vertreten, er meint, die Medien veranstalteten zwar keine Pogrome, aber Themen wie die o.a. Geschichte aus Köln oder der Abbruch der wissenschaftlichen Untersuchung der Missbrauchsfälle durch die katholische Kirche, ließen sich "beliebig skandalisieren", dabei sei viel Heuchelei und Häme im Spiel.

Konkret sieht Bolz das so: "Journalisten definieren sich als Aufklärer. Und die katholische Kirche gilt schon seit dem 18. Jht. als die gegenaufklärerische Macht schlechthin. Und immer, wenn sie sich gegen den Mainstream stellt und auf unzeitgemäßen Forderungen beharrt, wird dieser Affekt wieder mobilisiert. Es gibt in den vergangenen Monaten zwei Gruppen, die zum Abschuss freigegeben sind: die katholische Kirche und die FDP. Da fallen mittlerweile alle Tabus."

Zwar ist außer dem Herrn Bolz bisher niemand aufgefallen, dass es ein FDP-Tabu gegeben hätte, aber er brauchte offenbar auch einen säkularen Bereich, wo er eine gesteuerte Medienkampagne behaupten konnte. Dass sich Journalisten als Aufklärer verstanden und verstehen, die sich lange gegen Zensur und Verbote wehren mussten, speziell auch gegen die katholische Unterdrückung von Meinungen, akzeptiert Norbert Bolz nicht, offenbar hätte die katholische Kirche ein mediales Tabu zu sein.

Bolz hat auch Religionswissenschaften studiert, ist im CDU-Bereich engagiert und sieht die Medien als drohenden Religionsersatz:
"Medien bieten Ersatzformen von Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit an. An die Stelle religiöser Kommunikation tritt heute Kommunikation als Religion. Totale Verkabelung, die Verstrickung im elektronischen Netz, wird der unbefangene Blick aber als profane Variante der religio - und das heißt ja eben: Rückbindung erkennen. In der Vernetzung zum integralen Medienverbund ist uns eine stabile Umbesetzung der Transzendenz gelungen. Das Göttliche ist heute das Netzwerk. Und Religion funktioniert als Endlosschleife."

Nach der Ansicht von Bolz muss die katholische Kirche jedenfalls so bleiben, wie sie ist. Die protestantische Kirche "praktiziert schon seit Jahren eine bedingungslose Anpassungsstrategie an den Zeitgeist und segelt im Windschatten der öffentlichen Meinung. Dabei verliert sie aber jedes Profil". Damit hat Bolz allerdings recht, die protestantische Methode akzeptiert den Säkularismus.

Der katholischen Kirche empfiehlt er: "Die zentrale Frage ist aus meiner Sicht, ob die katholische Kirche eine ähnliche Anpassungsstrategie wie die evangelische Kirche fährt und in der spirituellen Bedeutungslosigkeit verschwindet, oder ob sie bereit ist, unzeitgemäß zu sein und dafür auch Prügel einzustecken. Dabei kann sie ja darauf bauen, dass ihr Kurs schon seit 2.000 Jahren gut gegangen ist." Dass der jeweilige katholische Kurs, 2000 Jahre "gut"gegangen sei, ist jedoch eine sehr seltsame Sicht, dazu müsste man dann alle Verbrechen der Kirchengeschichte gut heißen.

Was die kath. Kirche hinkünftig besser machen könnte, liegt für Bolz offenbar hauptsächlich am PR-Personal, "die Kirche muss sich durch Persönlichkeiten darstellen, die Profil, Mut und Kampfkraft zeigen. Und die jenseits dogmatischer Starrheit erklären können, worum es eigentlich geht."

Dass die Öffentlichkeit offenbar immer weniger damit übereinstimmt, worüber die katholische Kirche meint, das wären die Dinge, um die es eigentlich ginge, fällt dem Herrn Medienwissenschaftler nicht auf. Aber ein Tabu für Katholisches hätte er ganz gerne wieder.

Das wird aber nicht mehr gespielt werden. Kritik an der katholischen Kirche ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dagegen helfen weder hysterische Pogrom-Schreie oder im Anhang an die "Islamophopie" gerichtete Verbotshoffnungen, noch Analysen von CDU-nahen katholischen Medienwissenschaftlern. Die katholische Kirche hat sich damit abzufinden, dass sie am Rande einer säkularen Welt lebt und auch dementsprechend gesehen wird: als sonderbar und kritikwürdig. Amen.

Kaum glaubt man, fertig zu sein, kommt noch eine paranoide Äußerung dazu. Diesmal der Herr Papst himself, der laut "Die Welt" vom 9.2. meinte,
die Christen seien "das meistverfolgte Volk" in der heutigen Welt.

Zwar sind Christen derweilen immer noch bloß Anhänger einer Religion und kein Volk, aber das wird egal sein, bei den Islamisten ist ja der Islam auch eine Rasse. Weiters ließ Ratzinger wissen: "Es scheint heutzutage erstaunlich zu sein, dass man noch glauben und danach leben kann". Es gebe zwar christliche Länder, doch auch in denen seien die Christen fremd. Sie stünden stets außen vor.

Vielleicht sollte man die Christen unter Naturschutz stellen? Oder konzentriert sich Ratzinger auf die tatsächlich verbliebenen Vollkatholiken, die ihm aufs Wort folgen? Dann wird er recht haben. So seltsam wie er sind tatsächlich nicht viele Menschen. Aber deswegen kann man doch wohl kaum den Status eines "Verfolgten" einnehmen. Atheisten wurden seinerzeit von der katholischen Kirche auf das Bösartigste verfolgt. Aber die damaligen Atheisten standen weniger "außen vor" als auf dem Scheiterhaufen ...